Rohstoffpoker in Asien

„Junge Welt“, 20.02.07
Kasachstan soll für BRD-Konzerne als Sprungbrett in die Region dienen. Ökonomische und militärische Zusammenarbeit intensiviert

Die Bundesregierung hat Zentralasien ins Visier genommen. Schon vor der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft durch die Bundesrepublik unternahm Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) eine mehrtägige Reise durch die Region. Dabei traf er Ende Oktober mit kasachischen Spitzenpolitikern zusammen und lotete die Möglichkeiten einer verstärkten wirtschaftlichen Zusammenarbeit aus. Das Auswärtige Amt kommentierte, man wolle damit der »an Bedeutung gewinnenden Region Zentralasiens erhöhte Aufmerksamkeit zukommen« lassen. Ende März werde eine offizielle europäische Zentralasienstrategie vorgestellt, in der erstmals die langfristigen Zielsetzungen der Europäischen Union in dieser rohstoffreichen Region festgeschrieben wird. Hintergrund ist in erster Linie der Versuch der EU, neue Energiequellen zu erschließen und somit die Abhängigkeit von russischen Öl- und Gaslieferungen zu senken.
BRD-Investitionen
Zu ersten konkreten Ergebnissen kam es während der Deutschlandvisite des kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew Anfang Februar. Es wurde eine deutliche Steigerung der BRD-Investitionen in dem zentralasiatischen Land vereinbart. Die deutsche Wirtschaft habe »ein großes Interesse daran, die Industrialisierung und technologische Entwicklung in Kasachstan zu fördern«, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Bei der Rohstoffverarbeitung bestünden »große Potentiale«. Den Schwerpunkt wollte die Kanzlerin aber eindeutig auf die Zusammenarbeit im Energiesektor legen. Dies könne dazu beitragen, die »Energiequellen Europas weiter zu diversifizieren«.

Inzwischen sind über 400 deutsche Unternehmen in Kasachstan aktiv, die unter anderem Werkzeugmaschinen, Elektronik, Metallerzeugnisse und Transportmittel in dieses Land exportieren. Kasachstan liefert hauptsächlich Rohstoffe in die Gegenrichtung. Nahezu 7,5 Millionen Tonnen kasachischen Öls wurden zwischen August 2005 und Juli 2006 nach Deutschland geliefert, womit das Land zum fünftgrößten Öllieferanten der BRD aufstieg. Mit einem Außenhandelsvolumen von 5,2 Milliarden US-Dollar ist Kasachstan hinter Rußland und der Ukraine drittwichtigster Handelspartner der BRD unter den GUS-Staaten. Bei weiteren Treffen auf Minister­ebene sollen im März Möglichkeiten zur technologischen Unterstützung Kasachstans bei der Erschließung neuer Öl- und Gasvorkommen erörtert werden.

In Berlin wurden auch konkrete Vorhaben vereinbart: So konnte ThyssenKrupp als einer der ersten BRD-Konzerne von der bilateralen Annäherung profitieren. Wie das Unternehmen am vergangenen Dienstag bekanntgab, erhielt es einen Auftrag zur Lieferung von Anlagen für ein neues Silizium-Metallwerk in Kasachstan. ThyssenKrupp werde nach Fertigstellung der Anlage die weltweite Vermarktung der gesamten Produktion von rund 25000 Tonnen im Jahr übernehmen, hieß es.

Präsident Nasarbajew konnte im Gegenzug die deutsche Zusicherung erhalten, die kasachischen Ambitionen auf den OSZE-Vorsitz 2009 zu flankieren. Zudem soll Berlin den Beitritt Kasachstan zur Welthandelsorganisation WTO unterstützen. Am 1. Februar wurde zudem ein Abkommen geschlossen, das den Transit deutscher Militärtechnik und Soldaten durch das Territorium Kasachstans ermöglicht – mit Ziel Afghanistan.
Rußland umgehen
Auf der Rückreise von seinem BRD-Besuch machte Nasarbajew am 2. Februar in der Ukraine halt. Dort rief er mit dem ukrainischen Präsidenten Viktor Juschtschenko eine Arbeitsgruppe ins Leben, die den Verlauf eines geplanten »Energiekorridors« nach Westeuropa ausarbeiten soll. Der als prorussisch geltende Premier der Ukraine, Viktor Janukowitsch, betonte während des Besuches zwar, daß die Transitrouten für das zentralasiatische Rohöl durch russisches Territorium verlaufen würden. Doch am 13. März 2006, bei seinem eigenen Besuch in der kasachischen Hauptstadt Astana, ließ sich Janukowitsch zu der Bemerkung hinreißen, daß es für die Ukraine am besten wäre, »direkte Gaslieferungen von Kasachstan und Aserbaidshan sicherzustellen«, um der russischen Dominanz im Energiesektor zu entgehen.

Auch die NATO zeigt Flagge in der Region: Das Militärbündnis wolle die »sicherheitspolitische Partnerschaft« mit Kasachstan festigen, sagte dessen Sonderbeauftragter für den Kaukasus und Zentralasien, Robert Simmons, bei seiner Visite in Astana Anfang Februar. Die NATO will Kasachstan bei der Reform seiner Verteidigungsstrukturen und insbesondere der Aufstellung von Seestreitkräften im Kaspischen Meer unterstützen. Die Kooperation seines Landes mit der NATO sei zur Sicherung der Wirtschaftsbeziehungen von großer Bedeutung, betonte der Verteidigungsminister Kasachstans, Danial Achmetow, bei dieser Gelegenheit. »Deshalb ist die Schaffung einer entsprechenden Marinestruktur meines Erachtens ein ernsthaftes Instrument, um Investitionen einer Reihe von Ländern zu garantieren, die strategische Partner unseres Staates bei der wirtschaftlichen Zusammenarbeit sind«, so die öffentliche Stellungnahme Achmetows nach dem Gespräch mit Simmons. Wolle man zentralasiatische Energieträger über Aserbaidshan und die Ukraine an Rußland vorbei gen Westeuropa transportieren, so ginge dies nur durch das Kaspische Meer.

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