Verschärfte Schikanen

„Junge Welt“, 12.05.2010
Proteste gegen Änderung des Einwanderungsrechtes im US-Bundesstaat Arizona. Migrantenverbände kritisieren Obama-Regierung

Mehr als 100000 Menschen gingen in den gesamten Vereinigten Staaten am 2.Mai gegen ein rassistisches Einwanderungsgesetz auf die Straße. Die Verordnung war Ende April von der republikanischen Gouverneurin Janice Brewer im US-Bundesstaat Arizona unterzeichnet worden. Allein in Los Angeles protestierten nach Angaben der örtlichen Feuerwehr mehr als 60000 Menschen gegen die umstrittene Novelle. Weitere Kundgebungen oder Demonstrationen fanden in rund 80 weiteren US-Städten statt – so in New York, Chicago, Dallas, Washington oder Phoenix. Neben der Abschaffung des neuen Einwanderungsgesetzes in Arizona forderten die hauptsächlich von hispanischen Organisationen mobilisierten Teilnehmern auch eine umfassende Reform der Einwanderungsvorschriften in den USA.

Die neuen Bestimmungen in Arizona verpflichten die Polizeikräfte des Landes, alle Personen festzunehmen, die bei willkürlichen Kontrollen nicht unverzüglich beweisen können, daß sie sich legal im Land aufhalten. Zudem fördert das Reglement die Denunziation: Jeder beliebige Mensch kann die Behörden dazu verpflichten, den Aufenthaltsstatus von anderen zu überprüfen. Kritiker gehen davon aus, daß dieses Gesetz vor allem US-Bürger aus Lateinamerika unter einen Generalverdacht stellen wird, und daß Polizeischikanen Tür und Tor geöffnet werden. Gleich nach der Unterzeichnung durch Brewer formierte sich landesweit eine breite Opposition, die bis in die Reihen der Republikanischen Partei selbst reicht und die durch Proteste das Gesetz doch noch zu Fall bringen will. So riefen beispielsweise prominente Politiker und die Bürgermeister etlicher US-Städte dazu auf, eine Boykottkampagne gegen Arizona zu organisieren. Dabei soll vor allem der Tourismus getroffen werden, der eine wichtige Einnahmequelle des südwestlichen Bundesstaates ist. Die Bürgermeister und Stadträte von Los Angeles und San Francisco drohten sogar mit einem Abbruch aller Beziehungen zu Arizona.

Prominentester Gegner des neuen Einwanderungsgesetzes ist US-Präsident Barack Obama. Er bezeichnete jüngst das Gesetzespaket als »irregeleitet«, da es das »grundlegende Verständnis von Fairneß untergräbt, das wir als Amerikaner schätzen«. Zudem würde das »Vertrauen zwischen den Polizeikräften und den Einwanderergemeinschaften« zerstört, so Obama. Die Reform der amerikanischen Immigrationsgesetze gehörte zu einem wichtigen Wahlkampfversprechen Obamas. Doch die Realisierung wurde bislang – auch aufgrund der harten Auseinandersetzung um die Gesundheitsreform – vertagt. In der Regierungs­praxis ist ebenfalls kein substantieller Wechsel der Immigra­tionspolitik eingeleitet worden. Die Repression der Bush-Administration gegenüber »illegalen« Migranten wird fortgesetzt. Wie das linksliberale US-Nachrichtenmagazin The Nation berichtet, sollen in diesem Jahr Prognosen zufolge etwa 400000 Menschen, die bei Raz­zien in Betrieben festgenommen wurden und die keine Aufenthaltsgenehmigung haben, außer Landes gebracht werden. Damit würden die Abschiebungen das Ausmaß des Vorjahres erreichen und sogar über dem der Bush-Jahre liegen, konstatierte The Nation.

In den USA leben an die zwölf Millionen Menschen ohne offizielle Papiere. Die Angehörigen dieser Bevölkerungsgruppe, die teilweise schon seit Jahrzehnten im Lande sind, arbeiten zumeist in den am schlechtesten bezahlten Berufen. Ihre Einkünfte liegen oftmals unterhalb des gesetzlichen Mindestlohnes. Vor Ausbruch der Weltwirtschaftskrise wurden diese in einer rechtlichen Grauzone lebenden Einwanderer geduldet, da sie das Lohnniveau niedrig hielten. Allein in Arizona, das im Süden an Mexiko grenzt, leben rund 460000 Menschen ohne behördliche Anerkennung. Ihre Verbände fordern nun von der Regierung, ihnen im Rahmen einer Einwanderungsrechtsreform einen legalen Aufenthaltsstatus zu gewähren.

Ob das noch gelingen kann, ist fraglich. Denn einge Republikaner haben das Mobilisierungspotential dieses Themas erkannt und instrumentalisieren es für ihre politischen Ziele. Abgeordnete in zehn weiteren US-Bundesstaaten haben bereits Gesetzesinitiativen gestartet, die ähnliche Verschärfungen der Einwanderungsregelungen zum Ziel haben, wie sie in Arizona umgesetzt werden. In Utah, Oklahoma, Colorado, Ohio, Missouri, Georgia, South Carolina, Mississippi, Texas und Maryland seien die Entwürfe wortgleich mit dem Gesetz aus Arizona, berichteten US-Medien. Neben der Enttäuschung über die bisherige Politik Obamas trägt die Stimmungsmache gegen illegalisierte Einwanderer maßgeblich zum Rechtsruck in der krisengeschüttelten amerikanischen Gesellschaft bei. Die öffentliche Meinung wird immer mehr von Rassisten bestimmt: Laut neuesten Umfragen des Gallup-Instituts und der New York Times befürworten inzwischen 51 Prozent der Amerikaner die drakonische Gesetzgebung in Arizona. Gleichzeitig haben in den südlichen Grenzregionen der USA rechte Milizen beträchtlichen Zulauf, die Jagd auf Migranten machen.

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