jungle world, 03.04.2025
US-Präsident Donald Trump beschließt weitere Zölle: 25 Prozent auf alle ausländischen Fahrzeuge gelten ab dem 3. April. Das trifft vor allem die deutsche Autoindustrie, für die die USA der wichtigste Exportmarkt sind.
Es half kein Betteln und kein Hoffen. Im Januar gab sich der VW-Vorstandsvorsitzende Oliver Blume noch optimistisch: Mit Investitionen im Umfang von 15 Milliarden US-Dollar in den USA und fünf Milliarden in Kanada habe der Konzern Blumes Meinung nach ein »extrem starkes Statement für Nordamerika« gesetzt und solle in den Genuss von »niedrigen Zöllen« kommen.
Link: https://jungle.world/artikel/2025/14/autoland-ist-abgebrannt
Im Februar, nachdem der US-amerikanische Präsident Donald Trump die Sonderzölle auf Stahl- und Aluminiumeinfuhren in die USA erlassen hatte, wollte Blume persönlich im Weißen Haus vorstellig werden, um Trump zu überzeugen, Milde beim VW-Konzern walten zu lassen. Neben der Fabrik in Tennessee baue man gerade ein Werk in South Carolina, was Berücksichtigung finden müsse, in Gestalt von Ausnahmeregelungen und »Vorteilen bei den Zöllen«, so Blume.
Elf Milliarden Euro Nettozusatzkosten
Nun, da Zölle von 25 Prozent auf alle ausländischen Fahrzeuge und Fahrzeugvorprodukte am 3. April in den Kraft treten, dürften Experten zufolge auf die drei größten deutschen Autokonzerne VW, BMW und Mercedes Nettozusatzkosten von rund elf Milliarden Euro zukommen. Bei VW sehen sie nahezu 15 Prozent des operativen Gewinns gefährdet.
Mit einem Anteil von 13,1 Prozent an den Gesamtausfuhren bildeten die USA 2024 den wichtigsten auswärtigen Absatzmarkt der deutschen Autobranche. Rund 30.000 Arbeitsplätze könnten in der europäischen, also vornehmlich deutschen, Autoindustrie aufgrund der Zölle wegfallen; zumal der Ausbau von neuen Produktionsstätten in den USA zusätzliche Milliarden verschlingen und Jahre in Anspruch nehmen würde.
Die Krise der innovationsfaulen deutschen Autoindustrie nimmt somit existentielle Züge an. Autoland ist abgebrannt. Neben den horrenden Investitionen in eine ökologisch fragwürdige Elektromobilität, bei der Deutschlands Konzerne zu den Nachzüglern zählen, setzen Absatzschwäche und wachsende Konkurrenz in und aus China die Branche weiter unter Druck. Nun drohen auch noch Absatzeinbrüche von bis 29 Prozent auf dem US-Markt.
Das gesamte deutsche Wirtschaftsmodell, dass insbesondere seit der Einführung des Euro und der sogenannten Agenda 2010 darauf abzielt, möglichst hohe Exportüberschüsse zu erzielen, findet sich somit in einer Sackgasse: Allein die Zölle dürften das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 0,5 Prozent verringern und somit die Stagnationsphase der Bundesrepublik verlängern. Die deutsche Wirtschaft soll in diesem Jahr Schätzungen zufolge um gerade mal 0,2 Prozent wachsen. Die gut zwei Dekaden der neoliberalen Globalisierung, in denen Deutschland mittels Exportüberschüssen Deindustrialisierung, Verschuldung und Arbeitslosigkeit exportieren konnte, um auf Kosten der Abnehmerländer die Illusion einer heilen Arbeitsgesellschaft inmitten der munter prozessierenden Krise aufrechtzuerhalten, sind wohl endgültig vorbei.
Die politisch Verantwortlichen in Berlin und Brüssel haben nun die Wahl zwischen Konfrontation mittels Vergeltungsmaßnehmen und Duldsamkeit samt Verhandlungsbemühungen. Der einzige nennenswerte Angriffspunkt, den die unter einem gigantischen Handelsdefizit leidenden USA bieten, ist die IT-Branche samt der Trump-hörigen Hightech-Oligarchie; im Dienstleistungshandel mit der EU erzielen die USA einen Überschuss.
Die scheidende deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) brachte etwa eine Abgabe auf Smartphone-Updates ins Spiel. Die Antwort der EU müsse »mit voller Wucht« erfolgen, sagte Armin Laschet (CDU), da der »Außenhandel in EU-Zuständigkeit liegt«. Bislang jedoch zeichnete sich die EU-Kommission vor allem durch Servilität und Verhandlungsbereitschaft aus.
US-Regierung zielt auf die Senkung des Handelsdefizits ab
Die Passivität der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen reflektiert schlicht den handelspolitischen Status quo zwischen den USA und der EU, der durch ein extremes US-Handelsdefizit – mehr als 236 Milliarden US-Dollar im Jahr 2024 – geprägt ist. Bei allen kurzfristigen Turbulenzen befinden sich die USA somit im Fall eines Handelskrieges im strategischen Vorteil, da sich mittelfristig die transatlantischen Handelsbilanzen ausgleichen würden, was selbst angesichts einer globalen Rezession oder Depression die EU weitaus härter treffen würde als die USA.
So dürfte auch alle Kompromissbereitschaft der EU vergebens sein, da die US-Regierung genau auf die Senkung des Handelsdefizits abzielt. Trump will tatsächlich vor allem eines: Den Krisenprozess der vergangenen Dekaden revidieren, die USA reindustrialisieren, schlicht: »Amerika wieder groß machen«, wie versprochen.
Das versucht er auf Kosten der Konkurrenz. Und deshalb kollabieren auch die seit langem bestehenden westlichen Allianzen und Bündnissysteme, mit mittelfristig kaum vorhersehbaren Folgen für den Frieden, der bisher noch im unter Nato-Schutzschirm stehenden Teil Europas herrscht – was eventuell sogar die Restlinke beiderseits des Atlantiks dazu verleiten sollte, diese Systemkrise wenigstens zur Kenntnis zu nehmen.