„Junge Welt“,23.04.2012
Griechenland ist ein wichtiger Absatzmarkt für Deutschlands Waffenindustrie
Die Korruptionsanklage gegen Griechenlands ehemaligen sozialdemokratischen Verteidigungsminister Akis Tsochatzopoulos, der am 11. April medienwirksam vor laufenden Fernsehkameras festgenommen wurde, zieht immer größere Kreise (siehe jW vom 12. 04.2012). Mittlerweile wurden auch Yiorgos Sachpazidis, ein der sozialdemokratischen PASOK nahestehender »Geschäftsmann«, und Nikos Zigras, ein Cousin Tsochatzopoulos, festgenommen. Beiden wird vorgeworfen, in die Schmiergeldzahlungen deutscher Waffenexporteure an griechische Politiker verwickelt zu sein, die derzeit im Fokus der europäischen Öffentlichkeit stehen.
So thematisierte jüngst der britische Guardian die »deutsche Heuchelei« bezüglich der Militärausgaben, die bezeichnenderweise bislang kaum von den rabiaten Kürzungsprogrammen betroffen sind, mit denen der griechische Sozialstaat demontiert wurde. So schrumpfte das Rüstungsbudget im Zuge der neusten, von Brüssel und Berlin geforderten Austeritätsmaßnahmen nur um 400 Millionen Euro, während die Gesamteinsparungen in dieser neusten Kahlschlagsrunde sich auf mehr als 13 Milliarden Euro bis 2015 belaufen sollen.
Dabei ist das griechische Militärbudget – das von 7,2 Milliarden in 2010 auf 7,5 Milliarden in 2011 angestiegen ist – mit einem Umfang von rund vier Prozent des BIP immer noch rund doppelt so hoch wie im europäischen Durchschnitt. Diese enormen Militäraufwendungen wurden seit der türkischen Invasion Zyperns sukzessive ausgeweitet. Auf dem Höhepunkt des türkisch-griechischen Rüstungswettlaufs investierte Athen mehr als sieben Prozent des griechischen BIP in neue Waffensysteme, so daß Griechenland beispielsweise über 1300 Panzer verfügt – etwa doppelt so viele wie Großbritannien.
Die deutsche Waffenindustrie ist der größte europäische Nutznießer dieses fortgesetzten Rüstungswahns. Mit rund 15 Prozent aller Exporte stellt Griechenland den größten europäischen Markt für die hiesigen Rüstungsschmieden dar. In den vom knallharten Sozialabbau und sozioökonomischen Zusammenbruch geprägten Jahren 2010 und 2011 haben deutsche Konzerne einen Anteil von rund 25 Prozent aller griechischen Waffenimporte erreicht und wurden damit nur mehr von den USA mit 42 Prozent aller Importe überflügelt. Während BRD-Politiker wie Wolfgang Schäuble sich darüber empörten, daß Griechenland »über seine Verhältnisse« gelebt habe, gingen die durch fortgesetzte Schuldenaufnahme finanzierten Ausfuhren deutschen Kriegsgeräts nach Hellas unvermindert weiter. »Wenn es ein Land gibt, das von den enormen Rüstungsausgaben Griechenlands profitiert hat, dann ist es Deutschland«, kritisierte Dimitris Papadimoulis, griechischer ParlamentsÂabgeordneter der Linkspartei Synaspismos.
So wurde auch der umstrittene Deal über deutsche U-Boote der Klasse 214, der zu der Verhaftung von TsochatzoÂpoulos führte, von der Kürzungsorgie in Griechenland ausdrücklich ausgenommen. An die acht Millionen Euro soll der PASOK-Politiker vom deutschen HDW-Vertriebspartner Ferrostaal AG eingesteckt haben, um Athen zum Erwerb von nahezu unbrauchbarem Militärschrott zu verleiten. Von den geplanten vier U-Booten ist aufgrund eklatanter technischer Probleme bislang nur eines in Betrieb – von häufigen Pannen unterbrochen. »Griechenland hat über zwei Milliarden Euro für U-Boote bezahlt, die sich als fehlerhaft erwiesen«, empörte sich Papadimoulis, »und es muß noch eine Milliarde im Rahmen des Deals zahlen.« Diese Summe wäre drei Mal so hoch wie die der Rentenkürzungen, die Athen aufgrund des neusten »Sparpakets« durchsetzen müsse, das als eine Vorbedingung für weitere Krisenkredite Brüssels galt.
Die kräftige Förderung von Korruption in Griechenland durch deutsche Konzerne hat schon Tradition. Siemens hat kürzlich bei einem Gerichtsverfahren einem Vergleich mit Athen zugestimmt, da dem Unternehmen die massive Bestechung von Kabinettsmitgliedern 2004 nachgewiesen wurde, als im Vorfeld der Olympischen Spiele lukrative Aufträge zu ergattern waren. Die Ferrostaal AG mußte bei ihrem Korruptionsprozeß hingegen eine Geldstrafe von knapp 140 Millionen Euro zahlen, was angesichts des enormen Auftragsvolumens unter den Nebenkosten abgebucht werden dürfte.
Indes mehrten sich laut Guardian die Anzeichen dafür, daß »die internationale Hilfe für Griechenland« abhängig sei von den Zusagen Athens, die »Übereinkommen zum Kauf militärischer Güter aus Deutschland und Frankreich« einzuhalten. Das britische Blatt zitiert in diesem Zusammenhang den stellvertretenden griechischen Ministerpräsidenten, der anläßlich einer Türkei-Visite lamentierte, sein Land werde »gezwungen, Waffen zu kaufen, die es nicht mal braucht«.