„Junge Welt“, 22.07.2011
Jobbik-Partei siegt bei Wahlen in 2600-Einwohner-Ortschaft. Neuer Bürgermeister will mit Milizen Jagd auf Roma machen
Ungarns Nazis konnten am vergangenen Sonntag einen weiteren Wahlsieg feiern. Bei den Bürgermeisterwahlen in der ostungarischen Ortschaft Gyöngyöspata konnte sich der Kandidat der faschistischen Partei Jobbik (Die Rechten), Oszkár Juhász, mit rund 34 Prozent der Stimmen durchsetzen. Die rechtskonservative stellvertretende Bürgermeisterin Marika Matalik verbuchte einen WählerÂzuspruch von 26 Prozent, der vorbestrafte Führer der lokalen Nazimiliz Véderö (Schutzmacht), Tamas Eszes, kam auf 10,5 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei 60 Prozent.
Das rund 2600 Einwohner zählenden Gyöngyöspata war im vergangenen Frühjahr faktisch wochenlang von militanten faschistischen Organisationen wie Véderö oder Szebb Jövöert (Schönere Zukunft) kontrolliert worden. Unter dem Vorwand der Bekämpfung von »Zigeunerkriminalität« patrouillierten die Uniformierten durch das Roma-Ghetto der Stadt und führten Personenkontrollen durch; die Nazis errichteten sogar Straßensperren und verwehrten den Roma den Zugang zum »ungarischen« Teil der Ortschaft oder zum Supermarkt. Jobbik führte in Gyöngyöspata eine Kundgebung durch, bei der die erneute Aufstellung der Gendarmerie gefordert wurde. Die ist seit dem Sieg über die ungarischen Nazikollaborateure im Zweiten Weltkrieg aufgrund von deren Verstrickung in die faschistische Terrorherrschaft und den Holocaust verboten.
Begleitet von einer landesweiten Medienkampagne in der regierungsnahen rechtskonservativen Presse, die Armutskriminalität ebenfalls konsequent als »Zigeunerkriminalität« tituliert, steigerten sich die Spannungen in Gyöngyöspata bis zu tätlichen Auseinandersetzungen. Mehrere Menschen wurden sogar teils schwer verletzt. Die ungarische Staatsmacht intervenierte erst, als die Faschisten Ende April mit der Organisation von Wehrsportübungen in direkter Nähe des Roma-Ghettos begannen und die Evakuierung von Frauen und Kindern der Roma-Minderheit aus der Stadt international für Aufsehen sorgte.
Der Wahlsieg in dieser landesweit bekannten Ortschaft hat für die faschistische Rechte Ungarns einen hohen symbolischen Wert. Der Führer von Jobbik, Gabor Vona, versprach kurz nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses öffentlich, daß Gyöngyöspata ein »Beispieldorf für die kommunale Führerschaft« seiner Partei werde. Dieser Sieg, bei dem Jobbik die erzkonservative Regierungspartei Fidesz (Ungarischer Bürgerbund) geschlagen habe, sei ein »Meilenstein« und der Beginn eines »landesweiten Trends«. Bürgermeister Juhász machte derweil klar, die faschistischen Milizen legalisieren zu wollen. Er werde »Recht und Ordnung« durch die Einführung von »Feldpatrouillen« und die Aufstellung einer »bewaffneten lokalen Polizeitruppe« durchsetzen, erklärte Juhász am vergangenen Montag.
Der Bürgermeister setzt hierbei klar die strategischen Politikvorgaben seiner Partei um. Jobbik bemüht sich seit langem erfolgreich darum, seinen Einfluß innerhalb des Polizeiapparates auszubauen. Die klar rechtsextreme Polizeigewerkschaft TMRSZ (Ungarische Polizeigewerkschaft Tatkraft), die ein Kooperationsabkommen mit Jobbik geschlossen hat, konnte ihre Mitgliedschaft von 5000 Polizisten in 2009 auf gut 9000 steigern. Somit ist inzwischen rund ein Fünftel der ungarischen Polizeikräfte dieser faschistischen Vorfeldorganisation beigetreten.
Insofern ist es wenig überraschend, daß Ungarns Nazibanden im Frühjahr wochenlang nahezu ungestört die Roma in Gyöngyöspata terrorisieren konnten, bis sich die Staatsmacht aufgrund internationaler Schlagzeilen zu einem halbherzigen Eingreifen durchrang.