Die anhaltenden antimuslimischen Übergriffe in Bulgarien drohen zu einem Flächenbrand zu eskalieren.
Am 13. Juni veröffentlichte das Büro des bulgarischen Obermufti in Sofia eine Erklärung, in der die muslimische Minderheit des Balkanlandes aufgefordert wurde, künftig Maßnahmen zur Selbstverteidigung zu ergreifen. Der bulgarische ‚Staat ist entweder nicht in der Lage, uns zu beschützen, oder er will es nicht,‘ hieß es in der Erklärung. Die Muslime Bulgariens sehen sich aber einer Islamophobie ausgesetzt, die sich in ‚Drohungen, Beleidigungen, der Einschränkung religiöser Rechte und physischer Gewalt äußert und als ein Versuch betrachten werden sollte, interreligiöse Konflikte und einen Bürgerkrieg anzustiften.‘ Der Obermufti stellt die höchste religiöse Autorität der größtenteils türkischstämmigen bulgarischen Muslime dar, die rund 12 Prozent der 7,9 Millionen Einwohner Bulgariens umfassen.
Diese scharf formulierte Erklärung, in der auch eine ‚Selbstschutz-Kampagne‘ angekündigt wurde, folgte dem jüngsten Überfall auf die Banja Baschi Moschee in Sofias Stadtzentrum. Am 12. Juni wurde der Wächter dieser Moschee von bisher unbekannten Tätern brutal zusammengeschlagen, die auch Teile der Einrichtung demolierten. Zum Morgengebet strömende Gläubige fanden den Mann blutverschmiert und schwer verletzt vor. Dieser Angriff richtete sich gegen einen symbolischen Ort, da die Banja Baschi Moschee Teil des ‚Toleranzviertels‘ in Sofia ist, in dem sich in unmittelbarer Nähe auch die orthodoxe Kathedrale Sweta Nedelja, eine katholische Kirche und eine Synagoge befinden.
Die Banja Baschi Moschee war auch Schauplatz der schwersten antimuslimischen Übergriffe der letzten Monate in Bulgarien. Am 20. Mai griffen duzende von Anhängern der rechtsextremistischen bulgarischen Partei Ataka (Angriff) die Muslime während des Freitagsgebets vor der Moschee an. Die bulgarischen Faschisten, die gegen die Muezzin-Rufe durch die Lautsprecheranlage der Moschee protestieren wollten, verletzten etliche Gläubige und zündeten Gebetsteppiche an. Mehrere Menschen mussten nach den Ausschreitungen in Krankenhäusern behandelt werden. In der bulgarischen Öffentlichkeit löste dieser Angriff breite Empörung aus. Während Staatspräsident Georgi Parwanow von einem ‚Spiel mit dem Feuer‘ sprach, wurden auch Rufe nach einem Verbot von Ataka laut. Alle im Parlament vertretenen Parteien verurteilen während einer Debatte die Ausschreitungen.
Dieser massive Übergriff löste aber auch eine handfeste Regierungskrise in Bulgarien aus, da die Parlamentsfraktion von Ataka als zuverlässiger Mehrheitsbeschaffer der konservativen Minderheitsregierung von Ministerpräsident Boiko Borissov fungierte. Immer wieder hat die Opposition die Regierung Borissov folglich beschuldigt, die Augen vor den Umtrieben Atakas aus machtpolitischem Kalkül zu verschließen. Nach dem offenen Angriff auf die Banja Baschi Moschee sah sich die Regierungspartei GERB (Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens) aber genötigt, diese Tolerierung ihrer Regierung durch Bulgariens Rechtsextreme aufzukündigen. Die GERB musste sich am 17. Juni einem Misstrauensvotum stellen, dass sie nur knapp dank einiger unabhängiger Parlamentarier und Überläufer aus den Reihen der Ataka überstand.
Der Führer von Ataka, Wolen Siderow, blieb dem Misstrauensvotum mit seiner Restfraktion aber fern. Diese Enthaltung dürfte den fallenden Umfragewerten Atakas geschuldet sein, die laut Prognosen nur noch auf 3,2 Prozent Wählerzuspruch zählen kann. Siderows persönliche Umfragewerte sind im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen im Oktober von zehn auf sechs Prozent gefallen. Nach Ansicht von Beobachtern intensiviert Ataka gerade ihre Angriffe gegen die moslemische und türkische Minderheit Bulgariens, um durch eine nationalistische Polarisierung diesen Popularitätsschwung aufzuhalten.