„Junge Welt“, 06.05.2010
Arbeiter stürmen Aluminiumwerk, um Massenentlassungen zu verhindern.
Hunderte Arbeiter stürmten am 29. April das Betriebsgelände des Aluminiumwerks KAP (Kombinat Aluminijuma Podgorica) in Montenegro, um gegen eine anstehende Entlassungswelle zu protestieren. Medienberichten zufolge versammelte sich die Belegschaft dieses wichtigsten Industriebetriebs der Balkanrepublik am frühen Samstagmorgen vor den Werkstoren, um die Betriebsleitung am Betreten des Firmengeländes zu hindern. Der Firmenchef von KAP, Wjetschelsaw Krilow, musste durch den Sicherheitsdienst des Unternehmens vor den aufgebrachten Arbeitern in Sicherheit gebracht werden. Die Belegschaft stürmte und besetzte danach das Verwaltungsgebäude des Aluminiumkombinats. Neben der Rücknahme der Kündigungen forderten die Arbeiter eine Verstaatlichung ihres Betriebs. Die Betriebsleitung weigert sich, das konkrete Ausmaß der geplanten Massenentlassungen bekannt zu geben, doch laut Gewerkschaftsangaben hätten in den vergangenen Tagen an die 200 Arbeiter Kündigungsschreiben erhalten.
KAP wurde erst 2006 unter direkter Vermittlung des montegrinischen Ministerpräsidenten Milo Djukanowitsch an den russischen Oligarchen Oleg Deripaska verkauft, der nun 65 Prozent an dem Unternehmen hält. Mit seinen 2100 Arbeitern erwirtschaftet das ehemalige sozialistische Aluminiumkombinat der wichtigste Exporteur Montenegros, doch der Nachfrageeinbruch im Gefolge der Weltwirtschaftskrise ließ den Betrieb tief in die roten Zahlen rutschen. Um das Produktionsniveau zu halten, bot die Regierung Montenegros Deripaska einen Kredit in Höhe von 20 Millionen Euro an, doch dieser lehnte das Angebot ab und bestand auf Lohnkürzungen wie Massenentlassungen. Kurz vor dem Arbeitersturm auf die Fabrik verteidigte Krilow noch die geplante Entlassungswelle als rechtmäßig, da die betroffenen Arbeiter sich – auf Anraten der Gewerkschaften – geweigert haben sollen, neue Arbeitsverträge abzuschließen.
Das militante und entschlossene Vorgehen der KAP-Arbeiterschaft führte zu einem raschen Meinungswechsel bei der Betriebsleitung. Nach einem Krisentreffen mit dem montenegrinischen Wirtschaftsminister Branko Vujovic am 1. Mai erklärte KAP-Chef Krilow, dass der ‚Restrukturierungsplan‘ der Unternehmensführung und die geplanten Massenentlassungen ‚vorschoben‘ würden, um Verhandlungen über neue Tarifverträge mit den Gewerkschaften weiterhin Raum zu lassen. Er sei nun ‚zuversichtlich‘, dass man ‚eine Lösung finden,‘ und eine ‚gemeinsame Übereinkunft‘ erzielen werde, beteuerte Krilow abschließend.