„Junge Welt“,02.12.2009
Selbst im Braunkohleland Polen regt sich mittlerweile Widerstand gegen neue Tagebaue und Großkraftwerke. Schulterschluß mit deutschen Aktivisten
Gegner der Braunkohleverstromung aus Polen und Deutschland hatten sich am 28. November einen symbolträchtigen Ort ausgesucht, um ihre erste gemeinsame Protestaktion durchzuführen. Mehrere hundert Demonstranten versammelten sich auf einer Brücke über den Grenzfluß Neiße, um mit Fackeln den Schriftzug »Stop Coal« zu bilden. Mit dieser Aktion wurde symbolisch eine deutsch-polnische Resolution an den UN-Klimagipfel in Kopenhagen verabschiedet, auf die sich die Demonstrationsteilnehmer zuvor bei ihrem gemeinsamen Bürgerforum im südbrandenburgischen Groß Gastrose geeinigt haben.
In dem »Klimaschutz kennt keine Grenzen« betitelten Aufruf an den Gipfel, der vom 7. bis zum 18. Dezember abgehalten wird, forderten die Aktivisten, »über alle Ländergrenzen hinweg verbindliche, ehrgeizige und mutige Schritte zur Rettung unseres Planeten« einzuleiten. Der in Westpolen und Ostdeutschland fortgesetzte Braunkohletagebau stehe diesen Zielen diametral entgegen. »Wir sehen in der Verbrennung von Braunkohle für uns und für die Welt kein zukunftsfähiges Wirtschaftshandeln. Sie ist in hohem Maße unverantwortlich und muß mittelfristig beendet werden«, heißt es in der Resolution.
Selbst in Polen, wo nur eine marginale ökologische Bewegung existiert, stoßen Pläne zum weiteren Abbau der extrem klimaschädlichen Braunkohle zunehmend auf Widerstand. So gratulierten die deutschen Teilnehmer des in der Turnhalle von Groß Gastrose abgehaltenen Bürgerforums den polnischen Bürgerinitiativen zu zwei erfolgreichen Volksentscheiden in den westpolnischen Gemeinden Gubin und Brody. Dies ist umso bemerkenswerter, da in der Region durch dem Bau eines Braunkohlekraftwerks mit einer Leistung von 2400 Megawatt auch etliche Arbeitsplätze entstehen sollen.
Mitte November thematisierte auch das polnische Parlament, der Sejm, die Braunkohlepläne in der Grenzregion zu Deutschland. Dabei sprach die stellvertretende polnische Wirtschaftsministerin Joanna Strzelec vom Aufbau eines »energetischen Komplexes« in der Region Gubin – Mosty, inklusive Tagebau und Braunkohlekraftwerk. Derzeit komme vor allem das Energieunternehmen Gubin PWE als Investor in Frage, erklärte Strzelec. Hierbei handelt es sich um eine Tochter der polnischen Energiegesellschaft Enea SA, an der der Staat immer noch 76 Prozent der Anteile hält.
Bereits jetzt besitzt der Vattenfall-Konzern eine Minderheitsbeteiligung von knapp 19 Prozent an dem polnischen Energieversorger. Der Abgeordnete Marek Ast führte bei der Parlamentsdebatte aus, es sei sehr wahrscheinlich, daß der schwedische Energiegigant im Zuge der anstehenden Privatisierungswelle in Polen die Mehrheit an Enea übernehmen werde. Vattenfall betreibe bereits im ostdeutschen Jänschwalde ein Braunkohlekraftwerk und dürfte deshalb großes Interesse an einem Zugriff auf die polnischen Ressourcen haben.
Dabei sind die Braunkohlevorkommen rund um die Gemeinden Gubin und Brody nicht mal die größten Lagerstätten in Polen. Diese befinden sich in Niederschlesien in der Region zwischen Legnica, Lubin und Sciawa und werden auf 35 Milliarden Tonnen geschätzt. Bislang wurden sie noch nicht erschlossen. Doch das könnte sich bald ändern. »Hohe Energiekosten und die steigenden Energiebedürfnisse des Landes führen dazu, daß diese Vorkommen sich erneut im Zentrum des Interesses der Regierenden und der Energieindustrie befinden«, berichtete das Wirtschaftsmagazin Fakty Mitte November. Die Regierung plane bereits Tagebauaufschlüsse in dieser Region, führte Fakty aus, da hierdurch die »energetische Sicherheit des Landes« gewährleistet sein würde. Doch werde sich die Realisierung dieses Vorhabens als »nicht einfach« erweisen, weil immer mehr »Bewohner dieser Region, Kommunen und Ökologen« dagegen protestierten. »Die Leute werden mit Heugabeln und Knüppeln um ihre Häuser und ihre Erde kämpfen«, warnte der Aktivist Marek Brojanowski aus Milkowice gegenüber Fakty. Überdies schreite die Vernetzung der lokalen Gruppen mit ökologischen Organisationen und Globalisierungkritikern rasch voran, die »entschlossen sind, den Tagebau und die Braunkohlekraftwerke zu verhindern«, so Brojanowski.
Auch in Brandenburg und Sachsen wird sich die Auseinandersetzung um die Braunkohle zuspitzen. Die Planverfahren für die Tagebaue Jänschwalde-Nord, Nochten und Welzow II laufen auf vollen Touren. Mehreren Orten, darunter Proschim, Bahnsdorf, Welzow, Mühlrose, Rohne, Mulkwitz und Schleife, droht die komplette Abbaggerung.
In Brandenburg hat Vattenfall bei der Durchsetzung seiner Profitinteressen spätestens nach der Bildung der neuen Regierungskoalition aus SPD und Linkspartei leichtes Spiel: »Das Land muß sich die Option auf die Braunkohleverstromung offenhalten«, erklärte der neue brandenburgische Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Die Linke) am 18. November. »Das bedeutet, daß auch die Vorbereitungsarbeiten für neue Tagebaue in Brandenburg akzeptiert werden müssen.« Im Wahlkampf hatte sich die Partei noch klar gegen die Braunkohleverstromung ausgesprochen. Es ist aber nun wahrlich nicht das erste Mal, daß Politiker der »Linken« auf ihrem Weg in Regierungsämter vor dem Kapital zu Kreuze kriechen. Einen anderen Weg zur »Regierungsbeteiligung« hält der real existierende Kapitalismus nun mal nicht offen.