„Junge Welt“, 24.11.2009
Die US-Notenbank tut alles in ihrer Macht Stehende, um eine neue Spekulationsblase zu schaffen. Geldmenge wächst im Rekordtempo
Der schwindsüchtige US-Dollar erlebte am Montag vor einer Woche ein kleines Zwischenhoch. Durch schleichende Abwertung der Weltleitwährung waren mehr als 1,5 Dollar für einen Euro zu berappen. Aber Äußerungen des US-Notenbankchefs Ben Bernanke ließen den Greenback wieder stärker werden. Die Fed beobachte die Wechselkurse genau und werde entsprechend handeln, erklärte der oberste Währungshüter. Doch dürfte die Wirkung dieser Äußerung BerÂnankes bald an den Währungsmärkten verpufft sein, da die Zinspolitik der Fed selbst für die Abwertung des US-Dollars ursächlich ist.
Geldmenge wächst
Nur wenige Stunden vor seinen mahnenden Worten hatte Bernanke erklärt, die Nullzinspolitik der US-amerikanischen Notenbank bis auf weiteres fortzusetzen: »Wir werden den Leitzins für einen ausgedehnten Zeitraum auf einem außergewöhnlich niedrigen Niveau belassen.« Das löste natürlich weitere Dollarverkäufe aus, was zu entsprechenden Kurseinbrüchen führte. Bernanke mußte also mit der eingangs erwähnten Mahnung gegensteuern.
Seit Dezember 2008 verfolgt die Fed de facto eine Nullzinspolitik, deren Dauer in der US-amerikanischen Wirtschaftsgeschichte bislang einmalig ist. Mit dem »billigen Geld« soll die Kreditvergabe in Krisenzeiten stimuliert werden, um so Investitionen und Konsum zu befördern. Zugleich steigt mit der Dollarschwemme die Gefahr einer unkontrollierbaren, rasanten Abwertung des Greenback an den Weltwährungsmärkten. Außerdem droht längerfristig das Umschlagen der derzeitigen deflationären Tendenzen in eine Inflation.
Seit dem September 2008 generiert die Fed frisches Geld aus dem Nichts in historisch absolut einmaligen Dimensionen. So erhöhte sich die als monetäre Basis bezeichnete Geldmenge »M0« in den USA seit September 2008 um 910 Milliarden US-Dollar. M0 setzt sich aus dem Bargeldumlauf und den Mindestreserven der Geschäftsbanken bei der Notenbank zusammen. Selbst während der Periode der Stagnation in den 70er Jahren wuchs die Geldmenge M0 in den USA nie schneller als um 15 Prozent jährlich. Derzeit explodiert sie mit ca. 100 Prozent im Jahresvergleich.
Diese Geldflut führte bislang aber keineswegs zu einer Belebung der Kreditvergabe. Deren Volumen lag Anfang September um 126,4 Milliarden US-Dollar unter den Vorjahreswerten. Auch hierbei handelt es sich um einen historischen Einbruch, der in solch einer Größenordnung noch nie statistisch erfaßt wurde. Auf dem Höhepunkt des schuldenfinanzierten Immobilienbooms, 2006 und 2007, wuchs in den USA die Kreditvergabe zeitweilig um über 800 Milliarden US-Dollar im Jahresvergleich. Grund für die Kreditflaute ist die als »Spread« bezeichnete Differenz zwischen dem Leitzins und den »Marktzinsen« in den USA. Während die Banken ihr Geld praktisch zinsfrei leihen können, sind die Zinsen für Unternehmen und Verbraucher in den USA kaum gefallen.
Bleibt die Frage, wo das von der Fed »erschaffene« Geld bleibt. Zum einen floß es in den Erwerb von Staatsobligationen der USA. Das heißt, der Staat kaufte seine eigenen Schulden auf. Das Programm lief bis Oktober und hatte ein Volumen von 300 Milliarden US-Dollar. Außerdem übernahm die Fed auch massenhaft faule Hypotheken-Schuldverschreibungen (»Mortgage Backed Securities« – MBS) von den in Schieflage geratenen Banken. Mittlerweile machen die MBS neben den Staatspapieren den größten »Aktivposten« der Fed aus. Bei einer Bilanzsumme der US-Notenbank, die binnen eines Jahres von weniger als einer Billion auf über zwei Billionen US-Dollar anschwoll, soll sich der »Wert« der MBS laut Medienberichten mittlerweile auf stolze 920 Milliarden US-Dollar summieren. Hinzu kommt noch ein Programm, das den Aufkauf von Schuldverschreibungen »halbstaatlicher Institutionen« (agency debt) im Umfang von 200 Milliarden US-Dollar beinhaltet.
Bedenkliche »Aktiva«
Die Notenbank bezahlte all die Programme mit Geld, das sie selbst generierte. In Anlehnung an den Bibelspruch »Es werde Licht!« (»Fiat lux«) etablierte sich inzwischen für derartig generiertes Geld der Begriff Fiat-Money. Einem Götzen gleich scheint die Weltleitwährung nun in der Lage, sich selbst – und somit Werte – aus dem Nichts zu erschaffen. Eine dramatische inflationäre Welle bleibt derzeit nur aus, weil diese Geldflut gegenwärtig eine Inflation der Wertpapierpreise antreibt.
Dieses wundersame Finanzgebaren beförderte maßgeblich den derzeitigen Börsenboom. Die von ihren toxischen Wertpapieren befreiten Banken gingen natürlich nicht dazu über, mitten in einer Rezession ihre Kreditvergabe zu intensivieren. Dies würde gegen die betriebswirtschaftliche Binnenlogik verstoßen, da sie damit nur weitgehend wertlose Hypothekenverbriefungen gegen potentiell faule Kredite eingetauscht hätten. Statt dessen heizt die Geldflut die derzeitige Blasenbildung auf den Aktienmärkten und sogenannte Carrytrades an, wie die Washington Post jüngst ausführte: „Wer nimmt jetzt noch Kredite auf? Es sind in der Masse weder Privathaushalte noch Unternehmen, die sich in der Krise nur ungern verschulden. Es sind eher Hedgefonds und andere Investoren, die das Geld benutzen, um Aktien, Unternehmensanleihen und andere Investitionsgüter aufzukaufen und so deren Preise in Höhen zu treiben, die durch die ökonomischen Fundamentaldaten nicht gerechtfertigt sind.“
Die Notenbank versorgte also durch ihre Gelddruckerei das Finanzkapital mit frischem Spielgeld für eine neue Spekulationsrunde im globalen Finanzmarktkasino. Vorgeblich zur Belebung der Kreditvergabe nach dem Patzen der Immobilienblase in den USA initiiert, scheint die Expansive Geldpolitik der Fed geradewegs die Bildung einer neuen Spekulationsblase zu befördern. Diese Geldpolitischen Manöver bezeichnete der amerikanischer Marxist Paulus Sweezy bereits in den 80er Jahren als ein ‚Löschen mit Benzin‘, das letztendlich die spekulative Dynamik nur noch weiter entfacht.