Moldawien mit neuer Regierung

„Junge Welt“, 01.10.2009
Ministerpräsident bezeichnet EU-Integration als »absolute Priorität«

Das monatelang aufgrund einer schweren innenpolitischen Krise paralysierte Moldawien hat seit dem vergangenem Freitag eine neue Regierung. An diesem Tag wählte die aus vier liberalen Parteien bestehende prowestliche »Allianz für Europäische Integration« den Vorsitzenden der Liberaldemokratischen Partei, Vlad Filat, in das Amt des Ministerpräsidenten. In seiner Antrittsrede bezeichnete Filat die Integration seines Landes in die Europäische Union als eine »absolute Priorität« seiner Regierung. In einem ersten Schritt wolle er eine »spezielle Partnerschaft« Moldawiens mit Brüssel anstreben, betonte der neue Regierungschef.

Formell wurde Filat auf Empfehlung des derzeitigen Übergangspräsidenten Moldawiens, Mihai Ghimpu, in sein Amt gewählt. Der vormals als Parlamentspräsident tätige Ghimpu bekleidet das höchste moldawische Staatsamt aufgrund des Rücktritts seines Amtsvorgängers Wladimir Woronin. Am 11. September hatte Woronin sein Amt aus Protest gegen den prowestlichen Kurs der neuen Regierungskoalition niedergelegt. Nach zwei aufeinanderfolgenden Amtsperioden hatte Woronin – der zugleich Vorsitzender der Kommunistischen Partei Moldawiens ist – nur noch kommissarisch das Präsidentenamt bis zur Wahl eines Nachfolgers inne.

Allerdings scheiterten bislang alle Versuche, einen neuen Präsidenten durch das moldawische Parlament zu wählen. Die derzeitige prowestliche Koalition hat zwar eine Regierungsmehrheit von 53 der 101 Parlamentarier, doch für die Wahl eines neuen Präsidenten ist eine Mehrheit von 61 Stimmen notwendig. An dieser Hürde scheiterte auch das im April dieses Jahres gewählte Parlament, in dem die Kommunisten noch 60 Abgeordnete stellten. Sollten auch die prowestlichen Kräfte in dem am 29. Juli neu gewählten Parlament zweimal die notwendige Mehrheit verfehlen, müßten laut Verfassung wiederum Neuwahlen für Anfang 2010 angesetzt werden.

Moldawien ist zerrissen zwischen nationalistischen und prowestlichen Kräften, die sogar eine Wiedervereinigung mit Rumänien anstreben, und der Kommunistischen Partei, die sich eher an Rußland orientiert. So hat beispielsweise Übergangspräsident Ghimpu Anfang September öffentlich über eine Vereinigung mit Rumänien spekuliert, dessen Provinz Moldawien bis 1939 war. Zugleich bemühte sich Ghimpu, etwaige Vorbehalte Moskaus gegenüber der neuen Regierung zu zerstreuen. Man sei weiter an einer Zusammenarbeit mit Rußland interessiert, erklärte der Übergangspräsident am 24. September. In dieser Hinsicht bleibe »die Politik Moldawiens unverändert«.

All diesen Lippenbekenntnissen zum Trotz scheint die neue moldawische Führung in letzter Zeit eher auf eine Konfrontation mit Rußland zu setzen – eventuell auch, um innenpolitische Widerstände gegen die forcierte Westintegration zu brechen. Am 30. September meldete die russische Nachrichtenagentur RIA-Nowosti, daß die neue moldawische Regierung den Rückzug der russischen Friedenstruppen aus der russischsprachigen abtrünnigen Region Transnistrien fordern wird, die sich in einem Bürgerkrieg Anfang der neunziger Jahre von Moldawien abgespalten hat. Nach Informationen von Interfax-Ukraine sprach der neue moldauische Regierungschef Vlad Filat bei seiner Brüssel-Visite am vergangenen Dienstag mit hochrangigen EU-Vertretern über Möglichkeiten, die russischen Truppen durch Streitkräfte der Europäischen Union zu ersetzen. Nach einem ebenfalls am Dienstag abgehaltenen Treffen mit dem stellvertretenden NATO-Generalsekretär Claudio Bisogniero betonte Filat überdies, »bessere Beziehungen« mit dem Nordatlantikpakt bei der Reform der nationalen Sicherheitsinstitutionen anzustreben.

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