Von Ost nach West

Erschien leicht gekürzt in der „Jungen Welt“ vom 18.09.2009
Belarus’ Präsident Lukaschenko besucht erneut ein Mitgliedsland der EU

Nach Italien nun Litauen: Sein zweiter Staatsbesuch in einem Mitgliedsland der Europäi­schen Union führte Alexander Lukaschenko am Mittwoch nach Vilnius. Nachdem Brüssel im Oktober 2008 das nahezu eine Dekade aufrechterhaltene Einreiseverbot gegen die belarussische Staatsführung aufgehoben hatte, wurde der Präsident der Republik Belarus am Mittwoch nun von der litauischen Präsidentin Dalia Grybauskaite empfangen. Die Visite sei »ein guter Anfang, der zu einer engeren ökonomischen und kulturellen Zusammenarbeit« beider Länder führen könne, kommentierte ein Sprecher die länger als geplant geführten Unterredungen beider Staatsoberhäupter. Zufrieden zeigte sich auch Lukaschenko: »Wir haben uns in allen Angelegenheiten verständigt.« Zu einem späteren Zeitpunkt werde man konkrete Projekte besprechen, fügte der belarussische Staatschef hinzu.

Obwohl Lukaschenko offiziell auf Betreiben seiner litauischen Amtskollegin eingeladen wurde, gelten insbesondere Unternehmerzirkel des Baltikumstaats als die eigentlichen Initiatoren des Besuchs. So nahm der Präsident an der Eröffnung der belarussisch-litauischen Handelsmesse Belexpo teil, die der ökonomischen Kooperation beider Nachbarstaaten neue Impulse verleihen soll. Litauen, dessen Wirtschaft nach Prognosen in diesem Jahr um bis zu 20 Prozent schrumpfen könnte, »nutzt jede Gelegenheit, um seine Firmen zu retten«, kommentierte die polnische Tageszeitung Rzeczpospolita (17.9.).

Belarus ist ebenfalls an der Erschließung neuer Absatzmärkte interessiert, mußte doch das osteuropäische Land bereits mehrere russische Boykottmaßnahmen – zuletzt ein Importverbot für belarussische Milcherzeugnisse – hinnehmen. Brüssel hat überdies Minsk in sein klar geopolitisch motiviertes Programm einer »Ostpartnerschaft« aufgenommen, mit dem mehrere postsowjetische Staaten in die EU-Einflußsphäre eingebunden werden sollen.

Auch gegenüber weiteren mittel­osteuropäischen Ländern signalisierte Lukaschenko nun in Vilnius erneut weitgehende Kooperationsbereitschaft. Insbesondere die Beziehungen zu Warschau hätten eine merkliche Verbesserung erfahren. Polen sei »nicht nur einer der nächsten Nachbarn, sondern auch ein sehr wichtiger Partner« der Republik Belarus.

Im Vorfeld seiner Litauen-Visite sondierte Lukaschenko sogar öffentlich die Möglichkeiten konkreter Energetischer Projekte in Mittelosteuropa aus. Belarus könnte sich den von Polen und der Ukraine geplanten Pipelineprojekt Odessea-Brody anschließen, um die Erdölversorgung seines Landes zu diversifizieren, bemerkte Lukaschenko Anfang September. Das seit Jahren in der Schwebe befindliche Projekt sieht die Beförderung kaspischen Erdöls über die Ukraine bis nach Polen vor. Eine Abzweigung dieser bereits bestehenden Pipeline nach Belarus würde dessen Abhängigkeit von russischen Energieimporten verringern.

Trotz aller Bereitschaft zu Zusammenarbeit und Dialog gegenüber dem Westen gab Lukaschenko gegenüber litauischen Medien zu verstehen, daß Belarus und Rußland weiterhin »engste Verbündete« bleiben werden: »Wir haben niemals solch eine Art von Beziehungen mit irgendeinem Land gehabt, wie wir sie mit der Russischen Föderation unterhalten.« Trotz geringfügiger Reibereien hätten sich Rußland und Belarus auf vielen Politikfeldern »weitestmöglich angenähert«.

Sein Land strebe gute Beziehungen sowohl mit dem Osten wie dem Westen an, so Lukaschenko. Tatsächlich scheint Minsk bestrebt, die Partnerschaft mit Moskau zumindest in der Verteidigungspolitik zu vertiefen. Bereits seit Anfang September finden in Belarus umfangreiche Militärmanöver statt, an denen insgesamt 12500 Soldaten beider Staaten teilnehmen. Der russische Staatschef Dmitri Medwedew und Lukaschenko wollen dem Abschluß der »Westen 2009« genannten Militärübung am 29. September beiwohnen.

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