Zwischen den Großen

„Junge Welt“, 25.07.2009
Präsidentschaftswahl in Kirgisien: Haushoher Sieg für Bakijew bestätigt Politik des ­geostrategischen Lavierens. Militärbasen für Moskau und Washington

Kirgisiens Staatschef Kurbanbek Bakijew hat bei der Präsidentschaftswahl, so erste Ergebnisse vom Freitag, einen haushohen Wahlsieg errungen. Laut Angaben der russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti lag Bakijew nach Auszählung von etwa einem Viertel aller am Donnerstag abgegebenen Stimmen mit 89,3 Prozent weit vorn. Der Sozialdemokrat Almasbek Atambajew, sein wichtigster Konkurrent, kam nur auf 5,8 Prozent. Die übrigen Kandidaten blieben jeweils unter 1,6 Prozent. Laut der kirgisischen Wahlkommission lag die Beteiligung bei 79,3 Prozent.

Überschattet wurde die Abstimmung von massiven Fälschungsvorwürfen, erhoben von der Opposition. Trotzdem verlief die Wahl relativ ruhig – zumindest für kirgisische Verhältnisse. Am Donnerstag kam es zu Zusammenstößen zwischen Hunderten von Demonstranten und Sicherheitskräften vor Atambajews Wahlkampfzentrale in einem Vorort der Hauptstadt Bischkek, als Demonstranten einen nichtgenehmigten Marsch ins Zentrum antreten wollten. Ein genehmigtes Konzert der Opposition fand dann am Abend statt. Vereinzelte Zusammenstöße wurden auch am Freitag gemeldet. Diese Vorkommnisse sind aber nicht mit der westlich finanzierten »Tulpenrevolution« von 2005 vergleichbar, in deren Verlauf Bakijew an die Macht gespült wurde.

Obwohl der einstmals stramm prowestliche Machthaber der Kirgisischen Republik – so der offizielle Name – nach und nach eine Wiederannäherung seines Landes an Rußland betrieb, scheinen keine größeren Summen von westlichen Organisationen an die kirgisische Opposition geflossen zu sein. Letztlich sorgten die überragenden materiellen Ressourcen Bakijews während des Wahlkampfs für dessen Omnipräsenz und dürften sogar ausschlaggebend für seinen Sieg gewesen sein. Laut Angaben US-amerikanischer Thinktanks soll Bakijews Etat das Neunfache der Finanzmittel seines sozialdemokratischen Herausforderers ausgemacht haben.

Die US-Außenpolitik scheint sich inzwischen eher auf wirtschaftliche Kooperation und finanzielle Anreize bei der Einflußnahme auf die Politik des strategisch ungemein wichtigen Landes verlegt zu haben. Um ihre letzte in der Region befindliche Militärbasis – den Luftstützpunkt Manas – vor der von Bakijew angedrohten Schließung zu bewahren, sollen die Vereinigten Staaten russischen Schätzungen zufolge dem verarmten zentralasiatischen Land Entwicklungsprogramme und Pachtzahlungen von insgesamt 350 Millionen US-Dollar jährlich zugesichert haben.

Nur wenige Monate zuvor – im Februar 2009 – schien hingegen Rußland die kirgisische Führung vermittels großzügiger Kreditvergabe im Umfang von rund zwei Milliarden US-Dollar dazu bewegt zu haben, den US-amerikanischen Stützpunkt schließen zu lassen. Die Regierung in Bischkek hatte den USA eine Frist bis zum 18. August für die vollständige Schließung der Basis gesetzt. Dann kam Ende Juni die Kehrtwende. Aktuellen Berichten zufolge plant Bakijew nun, den Kreml für den geopolitischen Rückschlag mit einer zweiten Militärbasis in Kirgisien zu entschädigen. Das geopolitische Lavieren zwischen den Großen, die in Zentralasien ihr imperiales »Great Game« ausspielen, scheint sich für Bakijew nicht nur finanziell auszuzahlen, sondern auch etwaigen Ansätzen zur Durchführung »bunter Revolutionen« effektiv vorzubeugen.

Kritik am Wahlverlauf meldete am Freitag die westliche Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) an. Präsident Bakijew sei auf »unfaire Weise« vom Staatsapparat unterstützt worden, teilte eine Delega­tion in Bischkek mit.

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