Revanchistische Besitzansprüche

Junge Welt, 27.02.2013
Bundesregierung schiebt Aktivitäten deutscher Rechtsextremer in Polen keinen Riegel vor

Ginge es nach Lars Seidensticker, dem Präsidenten des »Eigentümerbundes Ost«, hätten »Polens Christen« am vergangenen Weihnachtsfest reichlich Grund zur Bußfertigkeit gehabt. Diese sollten »für Deutsche beten und um Vergebung bitten«, forderte Seidensticker. Noch immer stehe eine »Entschuldigung Polens« für die Umsiedlungen der deutschen Minderheit gegen Ende des Zweiten Weltkrieges aus. Mit einer Entschuldigung ist es aber nicht getan: Der revanchistische Verein kämpft für die Rückgabe ehemals »deutschen Eigentums« in Polen, das den Nachfahren der deutschen Umsiedler zustünde. Falls diese kein Interesse haben sollten, bietet der »Eigentümerbund Ost« einen ganz besonderen Service, nämlich »den Ankauf von Eigentumsrechten, damit die Ansprüche nicht verloren gehen«.

Der rechtsextreme Verein unternimmt auch gerne Exkursionen gen Osten. So nahmen Mitglieder am »Kulturfestival der deutschen Minderheit« in Wroclaw teil, wo sie deutsche Ortsschilder mit der Aufschrift »Breslau« und dem durchgestrichenen Wroclaw verklebten. In dem Verein, dessen aggressive Rhetorik für einige Unruhe in der polnischen Öffentlichkeit sorgte, finden sich etliche bekannte Exponenten des deutschen Rechtsextremismus. Seidensticker war Mitglied der DVU, bevor er mit der »Bürgerbewegung pro Deutschland« bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus antrat. Der »Ehrenvorsitzende« Alexander von Waldow klagte bereits mit der Revanchistentruppe »Preußische Treuhand« vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erfolglos gegen Polen.

In einer Anfrage an die Bundesregierung wollte die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen (Linke) erfahren, ob diese Umtriebe das deutsch-polnische Verhältnis belasten und inwiefern die revanchistischen Eigentumsforderungen eine juristische Grundlage aufweisen. Die Anfang Februar erfolgte Antwort der Koalition förderte Erstaunliches zutage. Zum einen hält die Bundesregierung die Frage der individuellen Eigentums- oder Entschädigungsforderungen durch deutsche Revanchisten weiterhin offen. Berlin sieht nur auf zwischenstaatlicher Ebene im »deutsch-polnischen Verhältnis keine Vermögensfragen im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg« mehr offen. Die revanchistische Forderung nach individueller Einschädigung oder Eigentumsrückgabe blieb unberücksichtigt.

Zudem hat die Bundesrepublik tatsächlich die derzeitige deutsch-polnische Grenze nicht anerkannt. Im deutsch-polnischen Grenzbestätigungsvertrag vom 14. November 1990 kommt der Begriff »anerkennen« nicht vor, statt dessen wird der derzeitige Grenzverlauf »bestätigt« und für »unverletzlich« erklärt. Zudem sichern sich beide Staaten zu, »keinerlei Gebietsansprüche« gegeneinander zu erheben. Die rechtsextremen Revanchisten in Deutschland bedienen sich in ihrer Argumentation ausdrücklich dieser Weigerung aller deutschen bundesrepublikanischen Regierungen, die Grenze eindeutig anzuerkennen. Alexander von Waldow argumentierte bei einer Ansprache vor dem »Eigentümerbund«, daß eine »Bestätigung« des Grenzverlaufs nichts mit dessen »Anerkennung« gemein habe. Die derzeitige Situation entspreche der Lage vor dem Zweiten Weltkrieg, so Waldow, da damals das Deutsche Reich ebenfalls die deutsch-polnische Grenze nie anerkannt habe. Berlin leiste mit seiner Weigerung, die deutsch-polnische Grenze eindeutig anzuerkennen, »faktisch revisionistischen und revanchistischen Forderungen« ultrarechter Organisationen Vorschub, kommentierte Dagdelen diese

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