Auf dem Weg nach Rußland

„Junge Welt“ 19.09.06
Transnistrien votiert für Unabhängigkeit von Moldawien

Tiraspol. Die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung Transnistriens sprach sich bei einem Referendum am Sonntag für die Unabhängigkeit der international nicht anerkannten, 1992 von Moldawien abgespaltenen Republik aus. Pjotr Denisenko, der Leiter der Zentralen Wahlkommission Transnistriens gab am Montag bekannt, daß sich 97,1 Prozent der Wähler für die Unabhängigkeit des Landes ausgesprochen haben. Diese soll einen Zwischenschritt auf dem Weg zum Beitritt zur russischen Föderation darstellen. Die Regierung Moldawiens erklärte schon vor der Volksabstimmung, daß sie dessen Ergebnis nicht anerkennen werde. Die Europäische Union und die Vereinigten Staaten hatten sich ebenfalls gegen die Abstimmung ausgesprochen und Transnistrien dazu aufgerufen, Verhandlungen mit Moldawien wieder aufzunehmen.

Transnistrien liegt zwischen Moldawien und der Ukraine, das Territorium der abtrünnigen Republik umfaßt gerade mal 3567 Quadratkilometer und zieht sich über 200 Kilometer entlang des östlichen Ufers des Dnjestr-Flusses. Von den etwa 550000 Bewohnern leben 189000 in der Hauptstadt Tiraspol. Bei der letzten Volkszählung vom November 2004 bezeichneten sich zwei Drittel der Bevölkerung als Russen oder Ukrainer, 30 Prozent als Moldawier. Viele Bewohner Transnistriens verfügen zudem über russische Pässe.

Nach dem Zweiten Weltkrieg begann in Transnistrien eine Phase stürmischer Industrialisierung, so daß 1990 diese Region 40 Prozent der Industrieproduktion und 90 Prozent der Stromgewinnung Moldawiens generierte, obwohl dort nur 17 Prozent der Bevölkerung leben. Vor dem Hintergrund der zerfallenden Sowjetunion kostete der zwischen der prorussischen Bevölkerung Transnistriens und moldawischer Armee zwischen März und Juli 1992 geführte Bürgerkrieg über 1000 Menschen das Leben. Er wurde erst durch die Stationierung russischer Truppen beigelegt. Der Kreml, der 1200 Soldaten als Friedenstruppen in Transnistrien stationiert hat, bezeichnete die Abstimmung als demokratischen Ausdruck des Volkswillens und unterstützte das Vorhaben – eine offizielle Anerkennung des Referendums seitens Rußlands steht aber noch aus.

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