Streiklawine in Polen

„Junge Welt“, 07.01.2008
Bergbaukonzern Kopalnia Weglowa erhöht die Löhne für ihre Beschäftigten um bis zu 15 Prozent. Die Zeche Budryk kämpft weiter

Der Warnstreik im schlesischen Revier vom 17. Dezember, als an die 40.000 Kumpel für 24 Stunden die Arbeit niederlegten, scheint die Betriebsleitung des größten Kohlekonzerns Europas beeindruckt zu haben. Die Kopalnia Weglowa hat den insgesamt 65000 Beschäftigten ab dem 10. Januar eine Lohnerhöhung zwischen 14 und 15 Prozent zugestanden. Vertreter mehrerer Gewerkschaften und die Unternehmensführung einigten sich daraufhin am Freitag bei der letzten Verhandlungsrunde vor dem für den 7. Januar angesetzten Generalstreik. Der von der Konzernleitung und der neoliberalen Regierung um Donald Tusk befürchtete Aufstand im traditionell kämpferischen Kohlerevier wird damit – vorläufig – ausbleiben.

Derweil spitzt sich die Situation in der bestreikten Kohlezeche »Budryk« im südpolnischen Ornontowice zu. Die Unternehmensführung weigert sich dort weiterhin, einer Angleichung der Löhne an das Gehaltsniveau des staatlichen Kohlekonzerns JSW zuzustimmen, in den die Zeche eingegliedert werden soll. Die in den kämpferischen, linken Gewerkschaftsverbänden »August 80« und »Kadra« organisierten Kumpel aber denken nicht an Kapitulation. Ihnen gelang es, die Kohleschächte zu besetzen. Seit dem Wochenende führen an die 300 Kumpel einen unbefristeten Streik mehrere hundert Meter unter Tage.

Der entschlossene Protest forderte bereits Tribut: Mehrere Kumpel mußten aus gesundheitlichen Gründen in die umliegenden Krankenhäuser eingeliefert werden. Die Betriebsleitung kündigte nun rechtliche Schritte gegen die Organisatoren des Streiks an.

Angespornt von den Erfolgen der Bergarbeiter geben sich auch andere gewerkschaftliche Organisationen gegenüber der neuen rechtsliberalen Regierung kämpferisch. Der Chef der sozialdemokratischen Gewerkschaft OPZZ, Jan Guz, forderte am 4. Januar das Tusk-Kabinett zum »Dialog« über Forderungen seiner Organisation – andernfalls werde man sich auf eine landesweite Streikaktion vorbereiten. Die OPZZ fordert eine Ausweitung des Steikrechts, Verbesserungen im Rentensystem, die Ratifizierung der sogenannten Europäischen Grundrechtecharta durch Polen sowie eine Anhebung des Mindestlohns.

Entschlossen zeigen sich auch die chronisch unterbezahlten Lehrer Polens, die für den 18. Januar bereits erste Demonstrationen angekündigt haben. Sollte es mit dem Bildungsressort zu keiner Einigung kommen, kündigte Slawomir Broniarz, der Vorsitzende der polnischen Lehrergewerkschaft ZNP, Streikaktionen während der Abiturprüfungen an.

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