Wer suspendiert wen?

„Junge Welt“, 13.07.2009
Keine Comedy, sonden eine Frage der Unabhängigkeit: Im polnischen Staatsfernsehen setzen sich die Führungskräfte gegenseitig ab

Der Machtkampf um Polens öffentlich-rechtliche Fernsehanstalt TVP nimmt immer mehr chaotische Züge an. Am Freitag erklärte der TVP-Aufsichtsrat den umstrittenen kommissarischen Direktor des polnischen Fernsehens, Piotr Farfal, für suspendiert. Zugleich bestimmte der Aufsichtsrat das frühere Vorstandsmitglied Slawomir Siwek zu dessen Nachfolger. Farfal wiederum erklärte diese Absetzung für rechtswidrig und drohte rechtliche Schritte gegen alle Mitarbeiter von TVP an, die den Weisungen Siweks oder des Aufsichtsrats folgen sollten. Der nationalistische, ehemals in faschistischen Gruppen aktive Fernsehdirektor weigerte sich, sein Zimmer zu räumen, und drohte den Aufsichtsratsmitgliedern mit einer Strafanzeige. Farfal hatte erst im Dezember Siwek suspendiert. Am 7. Juli war diese Suspendierung gerichtlich bestätigt worden.

Das polnische Fernsehen hat mit einem ehemaligen Faschisten und einem suspendierten Vorstandsmitglied gleich zwei Direktoren, die sich wechselseitig ihre Legitimität absprechen. »Die TVP-Mitarbeiter wissen nicht, auf wen sie jetzt hören sollen«, kommentierte der Medienexperte Dada Bush Kowalski die Situation und empfahl, den Streit schnellstmöglich vor Gericht zu klären. Alexander Grad, der Minister für Staatsvermögen (Bürgerplattform PO), erkannte die Absetzung von Farfal nicht an, da die Amtszeit des Aufsichtsrats abgelaufen sei und dieser somit kein Recht mehr habe, Personalentscheidungen zu treffen. Polens öffentlich-rechtliche Fernsehen ist rein rechtlich gesehen eine Aktien­gesellschaft, an der der Staat alle Anteile hält.

Das polnische Fernsehen gilt als die letzte Bastion der rechtskonservativen, nationalistischen und populistischen Kräfte um die 2007 abgewählte Regierungskoalition von Jaroslaw Kaczynski (Recht und Gerechtigkeit PiS). Pjotr Farfal, der als Politiker der klerikal-nationalistischen Liga der polnischen Familien (LPR) seine Fernsehkarriere machte, ist die Symbolfigur dieser nationalistischen Seilschaften. Seine politische Laufbahn begann Farfal bei der faschistischen Partei Nationale Wiedergeburt Polens (NOP), für deren antisemitisches Herzblatt Szczerbiec er publizistisch tätig war. Nach Einschätzung des Nachrichtenportals infoseite-polen.de gingen gerade die Anhänger der Oppositionsparteien PiS und Samoobrona (Selbstverteidigung) im TVP-Aufsichtsrat gegen die »Symbolfigur« Farfal vor. Nach Ansicht von Beobachtern dürfte der Aufsichtsrat mit seinem handstreichartigen Vorgehen beabsichtigen, den publizistischen Angriffen gegen die derzeitige Leitung des öffentlichen Fernsehens die Spitze zu nehmen. Denn die Regierungskoalition arbeitet an der Abschaffung der politischen Unabhängigkeit von TVP. Das würde auch erklären, warum auf einmal ein Minister der regierenden neoliberalen Bürgerplattform Farfal unterstützt – die PO möchte solch ein leichtes Angriffsziel wie diesen in Schlips und Kragen geschlüpften Faschisten bis zur Realisierung ihrer medienpolitischen Ziele nicht verlieren.
In einem Ende Juni beschlossenen Gesetzentwurf soll die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens jährlich von der Regierungskoalition beschlossen werden. Bei politischen Konflikten könnte so die Regierung im Fernsehen einfach den Geldhahn zu drehen, fürchten Kritiker. Ausgerechnet der nicht gerade als Freund der Me­dienfreiheit bekannte polnische Präsident Lech Kaczynski könnte mit einem Veto diese Reform noch verhindern oder zumindest an das Verfassungsgericht weiterleiten.

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