Polen: Aufruhr im »spanischen Arbeitslager«

„Junge Welt“, 29.07.2008
Martialisches Sicherheitsaufgebot gegen Gewerkschafterprotest beim Hausgerätehersteller FagorMastercook

Im Vorfeld eines für Anfang September geplante Streiks setzt der Hausgerätehersteller FagorMastercook im polnischen Wroclaw auf Abschreckung. Als die linke Gewerkschaft »August80« (Sierpien80) am 18. Juli zu einer Kundgebung vor dem Werks­tor aufrief, glich das Betriebsgelände einem militärischen Sperrbezirk. Mit einem Ring aus Absperranlagen versehen, bewachten 450 Sicherheitsleute das Areal. Die Firmenleitung des spanischen Konzerns legte großen Wert darauf, öffentlich zu betonen, daß die angemieteten Schlägertrupps mit Elektroschockgeräten, Tränengas und Schlagstöcken ausgerüstet wurden. Dieses martialische Aufgebot sollte die Belegschaft von der Teilnahme an dem Protest abschrecken, der sich gegen Hungerlöhne und gewerkschaftsfeindliche Repressalien in dem seit 2002 zu Fagor gehörenden Betrieb richtete.

Schon am Tag vor der Gewerkschaftskundgebung gingen die vom Management angeheuerten Schlägertrupps dazu über, die über 2000 Mitarbeiter zählende Belegschaft zu schikanieren. Die Sicherheitsleute durchsuchten alle Angestellten bei Schichtbeginn, wobei diese durch einen neu erbauten, Dutzende Meter langen Stahlkorridor aufs Firmengelände geschleust wurden. Die martialisch auftretenden Schlägertupps waren »überall, vor den Hallen, in den Produktionshallen. Sie gingen in Dreiergruppen auf Patrouille«, berichteten Arbeiter der Gewerkschaftszeitung Trybuna Robotnicza (TR): Es sei ein regelrechter Schock gewesen, mit diesem Aufgebot ohne Vorwarnung konfrontiert zu werden. Die Leute fühlten sich »gedemütigt, und später wütend über die Art und Weise, wie sie behandelt wurden«, berichtete die TR. Ironisch bezeichnen einige Arbeiter ihren Betrieb inzwischen als »spanisches Arbeitslager«.

Die Einschüchterungsversuche des Managements verfehlten jedoch ihre Wirkung, die Belegschaft zeigte sich kampfentschlossen: »Wir lassen uns nicht wie Vieh behandeln«, erklärte eine Arbeiterin gegenüber dem Internetportal lewica.pl. Über 500 Beschäftigte nahmen an der Kundgebung teil. Der Vorsitzende der Betriebsgruppe von August80, Tomasz Rollnik, forderte während seiner Ansprache die Erhöhung des derzeitigen mageren Gehalts von 1200 Zloty (ca. 400 Euro) um 1000 Zloty sowie die Wiedereinstellung von 20 Mitgliedern seiner Gewerkschaft, die in den vergangenen Wochen gefeuert worden waren.

Die gegen die Aktivisten von August80 gerichtete Entlassungswelle setzte nach einem am 2. Juni abgehaltenen Warnstreik ein, als die gesamte Belegschaft für zwei Stunden die Arbeit niederlegte. Hiernach hagelte es unter fadenscheinigen Begründungen Kündigungen, die vor allem jene Gewerkschafter trafen, die sich in prekärer sozialer Lage befanden – wie alleinerziehende Mütter oder Ehepaare, die gemeinsam bei FagorMastercook arbeiteten. Dennoch ging August80 am 26. und 27. Juni dazu über, eine Urabstimmung über einen unbefristeten Streik zu organisieren. Für die Aufnahme des Arbeitskampfes sprachen sich 1026 Beschäftigte aus, dagegen nur 36. Die in der Fagor-Niederlassung in Lyon aktiven französischen Gewerkschaften CGT und SUD solidarisierten sich mit dem Kampf ihrer polnischen Kollegen. Der Aufmarsch der privaten Sicherheitsdienste auf dem Firmengelände soll offensichtlich dem für Anfang September geplanten Ausstand bereits im Vorfeld die Unterstützung nehmen, an dessen Durchführung August80 weiterhin festhält.

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