Kriegsspiele rund um Odessa

„Junge Welt“, 15.07.2008
NATO-Manöver in der Ukraine. Demonstrationen dagegen sind verboten

Am gestrigen Montag begann die NATO in der Region rund um Odessa, auf der Krim und in den angrenzenden Hoheitsgewässern der Ukraine eine Reihe von Militärmanövern, die unter Beteiligung ukrainischer Streitkräfe bis zum 26. Juli andauern sollen. An den »Sea Breeze« getauften Kriegsspielen nehmen Militärverbände aus 15 Staaten – darunter auch aus den USA und Deutschland – teil. Die Manöver sollen nach Ansicht von Beobachtern die Ukraine weiter in die westlichen Militärstrukturen integrieren und einer Vollmitgliedschaft im Nordatlantikpakt näherbringen. In den kommenden Tagen werden 1000 NATO und 500 ukrainische Soldaten sowie Dutzende Militärschiffe die Durchführung »friedensschaffender Operationen innerhalb von NATO-Standards« trainieren, so das ukrainische Verteidigungsministerium. Kleinere Militärkontingente aus Aserbaidschan und Georgien nehmen an Sea Breeze ebenfalls teil.

In diesem Jahr scheint die NATO ihren Aufmarsch auf der Krim tatsächlich durchführen zu können. Um ähnliche Massendemonstrationen und Blockaden von Militärstützpunkten zu verhindern, wie sie vor zwei Jahren die Durchführung von NATO-Manövern auf der Krim vereitelten, verbot laut der ukrainischen Nachrichtenagentur unian ein Gericht in Odessa jegliche Demonstrationen für und gegen die Kriegsspiele. Doch weitaus schwerwiegender für die Gegner des Militärspektakels fällt ein Strategiewechsel der größten ukrainischen Oppositionskraft, der von der ost-ukrainischen Oligarchie finanzierten »Partei der Regionen« aus. Die Partei des ehemaligen Premiers Viktor Janukowitsch organisierte maßgeblich die Proteste in 2006, doch dieses Jahr hält sie sich betont zurück. Der eigentlich als »moskaufreundlich« geltende Janukowitsch erklärte sogar, diese Manöver zu unterstützen, da sie der »Professionalisierung« der ukrainischen Streitkräfte dienten.

So sind es diesmal vorwiegend Hunderte Aktivisten der Progressiven Sozialistischen Partei (PSP), die dem Demonstrationsverbot in einem Protestcamp trotzen, das sie in der Nähe einer Militärbasis auf der Krim aufschlugen. Sprecher der PSP betonten gegenüber der Presse, ihre Proteste bis zum Ende der Manöver fortsetzen zu wollen. Neben der PSP kündigte auch die Kommunistische Partei der Ukraine Proteste gegen die Präsenz der NATO auf ukrainischem Territorium an. Beide Parteien können sich hierbei der Unterstützung der Bevölkerungsmehrheit sicher sein. Nahezu 55 Prozent der Ukrainer lehnen einen Beitritt ab, nur 22 Prozent würden diesen begrüßen. Auf der Krim und in anderen südukrainischen Gebieten sind es sogar 84 bis 99 Prozent der vorwiegend russisch sprechenden Einwohnerschaft. Unterstützt wird die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine hingegen vor allem im Westen des Landes.

Um diese deutliche Ablehnungsfront aufzuweichen, startete die ukrainische Regierung vor kurzem eine Werbekampagne, die den Ukrainiern die »Vorteile« einer NATO-Mitgliedschaft ihres Landes nahebringen sollte. Die von Stars und Sternchen des ukrainischen Showbuisness unterstützte Medienkampagne, die mit lokalen Propagandakundgebungen einhergeht, trifft immer wieder auf Widerstand. Linke und prorussische Gruppierungen stellen sich den ukrainischen Nationalisten, die hauptsächlich die Jubelfeiern organisieren, entgegen.

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