Verwelkende Tulpen

„Junge Welt“, 15.12.2007
Der Präsident Kirgisistans läßt zu seiner Stärkung ein neues Parlament wählen

Krigistans Präsident Kurmanbek Bakijew kann zufrieden sein. Nur wenige Monate sind seit der Gründung seiner Partei Ak Schol vergangen, doch es gilt unter Beobachtern als gewiß, daß dieseFormation bei den am Sonntag anstehenden Parlamentswahlen die absolute Mehrheit erringen wird. Die Abstimmung bildet de facto den vorläufigen Schlußpunkt eines mehrjährigen Machtkampfes zwischen dem vom der Opposition dominierten Parlament und dem Staatschef, den letzterer für sich entscheiden konnte.

Bakijew wurde im Verlauf der westlich finanzierten »Tulpenrevolution« 2005 ins höchste Amt Kirgisistans gespült und galt zuerst im Westen als lupenreiner Demokrat, der ein enges Bündnis mit den USA forcierte. Doch seine ab 2006 eingeleitete geopolitische Neuausrichtung, die eine Annäherung an Moskau mit sich brachte, ließ das Image des Revolutionshelden schnell verblassen. Zudem blieben die miserable sozioökonomische Lage, die allgegenwärtige Korruption und dominierende Klanstrukturen als Konstanten der Innenpolitik bestehen.

Ein entscheidender Schritt zur autoritären Transformation des politischen Systems gelang dem Staatschef erst im Sommer 2007, als das Verfassungsgericht des Landes die im November von der Opposition durchgesetzte Verfassung für »ungültig« erklärte. Bakijew ließ nach dem Richterspruch umgehend eine neue, die Befugnisse des Präsidenten stärkende Staatsordnung in einem Referendum durchpeitschen, er löste das von seinen Gegnern dominierte Parlament auf und setzte die vorgezogenen Wahlen an.

Laut der neuen Konstitution sind die am Sonntag zu bestimmenden Abgeordneten ausschließlich über Parteilisten zu wählen. Zudem verliert ein Parlamentarier sein Mandat, wenn er seine Fraktion verläßt oder von dieser ausgeschlossen wird. Durch die Einführung der Fünfprozenthürde und anderer Beschränkungen haben neben der in den Medien omnipräsenten Ak Schol nur noch die Sozialdemokraten des kurz vor der Wahl entlassenen Premiers Almas Atambajew sowie die Unternehmerpartei Ata Meken eine realistische Chance auf den Einzug ins Parlament. Bei der Ata Meken handelt es sich um einen sehr exklusiven Klub, da Kandidaten umgerechnet 40000 Euro aufbringen müssen, um auf einen der aussichtsreichen Listenplätze dieser Partei zu kommen. Der Sozialdemokrat Atambajew war an den Protesten gegen Bakijew im November 2006 beteiligt, und er war es, der mit der Annahme des Postens des Regierungschefs, die den entscheidenden Keil ins Oppositionsbündnis trieb.

Derweil schreitet die Anbindung Kirgisistans an Rußland voran: Am 13. Dezember erklärte Bakijew im Fernsehen, »Verfahren mit Rußland einzuleiten, die es Bürgern beider Länder erlauben werden, eine doppelte Staatsbürgerschaft anzunehmen«. An die 700000 Kirgisen arbeiten – größtenteils illegal – in der russischen Föderation, während an die neun Prozent der Bevölkerung Kirgisistans russischer Herkunft sind. Zudem hofft die kirgisische Führung auf eine Intensivierung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit dem ölreichen Kasachstan, das auch in politischer Hinsicht als – autoritäres – Vorbild gilt. Die Vereinigten Staaten unterhalten zwar immer noch ihre letzte zentralasiatische Luftwaffenbasis im krigisischen Manas, doch beliebt sind die US-Streitkräfte seit einem Zwischenfall, bei dem ein Kirgise von einem US-Soldaten getötet wurde, nicht.

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