Biosprit statt Brot

„Junge Welt“, 08.12.2007
Landwirtschaft im Dilemma: Gestiegene globale Nahrungsmittelnachfrage kann nicht mehr befriedigt werden

Lebensmittel werden immer teurer. Der globale Preisschub, der in diesem Jahr nahezu die gesamte Nahrungsmittelpalette erfaßte, könnte dabei erst der Anfang einer langjährigen inflationären Entwicklung sein. Insbesondere die Armen der Welt sind stärker denn je von Hunger und Unterernährung bedroht. Laut eines kürzlich veröffentlichten Berichts der Nichtregierungsorganisation International Food Policy Research Institute (IFPRI), übersteige die weltweite Nachfrage nach Getreide schon seit mehreren Jahren das Angebot an diesen Grundnahrungsmitteln. In der vergangenen Saison 2006/2007 stand beispielsweise einer weltweiten Weizenernte von 593,1 Millionen Tonnen ein Verbrauch von 618,0 Millionen Tonnen gegenüber.

Jetzt geht es ans Eingemachte: Die globalen Vorräte unterschiedlichster Getreidearten schmelzen dahin. Nach den Worten des IFPRI-Vorsitzenden Joachim von Braun befinden sich die Reserven aufgrund der gestiegenen Nachfrage auf dem niedrigsten Niveau seit den frühen 80er Jahren: »Das kann so nicht weitergehen, die Erschöpfung der Vorräte wird bald erreicht werden«, warnte von Braun auf einer Pressekonferenz in Peking.

Seit 2004 sinken die globalen Erträge bei den Grundnahrungsmitteln Weizen, Reis und Hülsenfrüchten. Als Ursachen werden ungünstige Wetterbedingungen und verringerte Anbauflächen genannt. Allein 2006 sei die weltweite Getreideproduktion um 2,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken, warnte IFPRI. In der EU und den USA sanken demnach die Weizen- und Maiserträge um zwölf bis 16 Prozent, wobei Produktionssteigerungen in China und Indien diese Ernteausfälle bei weiten nicht ausgleichen konnten.

Die Getreidepreise haben sich zwischen 2000 und 2006 verdoppelt. Entgegen verbreiteten Legenden ist dies nicht hauptsächlich der gewachsenen Nachfrage von Schwellenländern wie China oder Indien geschuldet. Auch die weltweite Flotte von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor fordert ihren Tribut: Während der Konsum von Getreideprodukten als Lebensmittel im genannten Zeitraum um vier Prozent anstieg, nahm die Produktion sogenannter Biokraftstoffe allein zwischen 2003 und 2007 um 25 Prozent zu. So haben beispielsweise die Vereinigten Staaten die Erzeugung von Bioäthanol aus Mais zwischen 2000 und 2006 um 250 Prozent erhöht.

Zur globalen Preisexplosion bei Grundnahrungsmitteln tragen laut IFPRI auch Finanzinvestoren bei. Jene weltweit verhaßte Spezies sieht in den steigenden Preisen offenbar die Chance, auch hier ihren Reibach zu machen. Die Situation habe laut IFPRI deren »Interesse« geweckt. Demnach sei das Gesamtvolumen der globalen Spekulation mit Lebensmitteln allein 2006 um 30 Prozent angestiegen. Neben Getreide hätten sich auch Mais und Reis seit 2000 nahezu um das Doppelte verteuert.

Für die kommende Dekade sehen die IFPRI-Experten wenig Licht: »Die Risiken des Klimawandels« werden »eine negative Auswirkung auf die Nahrungsmittelproduktion« haben, heißt es in ihrer Studie. So würden ausgerechnet Entwicklungsländer von häufigeren Dürren und Überschwemmungen schwer betroffen sein. Das weltweit in der Landwirtschaft erzielte Bruttosozialprodukt (BSP) könnte aufgrund des Klimawandels bis zum Jahr 2020 um bis zu 16 Prozent fallen, errechnete die Nichtregierungsorganisation. Für die Länder der Dritten Welt prognostizierte IFPRI sogar einen Einbruch von bis zu 20 Prozent, während die Industrieländer mit einem Absinken um sechs Prozent noch glimpflich davonkommen könnten.

Die NGO befürchtet, daß es den schwarzen Kontinent wieder besonders hart treffen wird: »Bei Berücksichtigung der Effekte des Klimawandels könnte sich die Anzahl der unterernährten Menschen im subsaharischen Afrika zwischen 1990 und 2080 verdreifachen.« Weltweit soll die Zahl der hungernden Menschen bis 2025 von derzeit 854 Millionen auf 1,2 Milliarden steigen.

Die negativen Effekte des Klimawandels sind längst Realität. Ernteeinbußen der vergangenen Jahre waren zu einem guten Teil auf langanhaltende Dürren in einigen Hauptanbaugebieten für Getreide zurückzuführen. Die Ukraine mit ihren fruchtbaren Schwarzerdeböden galt als die Kornkammer der Sowjetunion. Dieses Jahr blieb dort der Regen weitgehend aus. Die Regierung sah sich genötigt, ein umfangreiches Programm zur Schaffung von Lebensmittelvorräten zu initiieren. Bis zu zehn Millionen Tonnen Weizen soll das Defizit infolge der Trockenheit betragen – bei einer Ernte von insgesamt 30 Millionen Tonnen. Australien, das seit Jahren unter einer schweren Dürre leidet, konnte 2005 noch 34 Millionen Tonnen Getreide erzeugen. Im Folgejahr waren es nur noch 14,8 Millionen Tonnen, und in dieser Saison wird eine Ernteergebnis von lediglich etwa 13 Millionen Tonnen erwartet.

Der forcierte Anbau von Pflanzen zur Treibstoffproduktion treibt die Preise maßgeblich. Nahrungsmittel würden immer häufiger zur Sättigung des weltweiten Energiehungers »mißbraucht«, was die Ernährungssicherheit von Millionen Menschen gefährde, sagte die Direktorin von »Brot für die Welt«, Cornelia Füllkrug-Weitzel, zum Auftakt einer neuen Spendenkampagne.

Auch in Deutschland konkurriert die Lebensmittel- und Energiebranche inzwischen um die gleichen Ressourcen. Bei Raps, Mais oder Getreide werden immer größere Erträge von Biodieselraffinerien oder Biomassekraftwerken verwertet. »Jetzt haben wir das Drama, daß ein kleiner Brauer oder Bäcker mit Milliardenkonzernen wie RWE um Rohstoffe kämpfen muß«, sagte Mitte November der Präsident des Deutschen Brauer-Bundes, Richard Weber, gegenüber der Zeitung Die Welt.

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