Gemäßigt war gestern

„Junge Welt“, 29.11.2007
Die Feuerwalzen von Malibu sind Begleiterscheinungen einer extremen Dürre. Unter der leiden nicht nur weite Teile der USA. Überall droht Wüstenbildung

Südkalifornien kommt nicht zur Ruhe. Im Oktober zerstörten Wald- und Buschfeuer Tausende von Häusern, forderten Dutzende Menschenleben. In diesen Tagen brannte eine nächste Feuerwalze etliche Villen in der noblen Prominentensiedlung Malibu nieder. Neben dem vom letzten Jahr gilt der Sommer 2007 als der verheerendste in der Geschichte der Region. Im Oktober waren bereits an die acht Millionen Morgen (zwei Millionen Hektar) Land durch Wildfeuer von unbekannter Intensität verwüstet. »So etwas haben wir noch nie verzeichnet«, erklärte CBS-Korrespondent Scott Pelley. »Es scheint, wir leben im Zeitalter der Megafeuer – die Waldinfernos sind zehn mal so groß wie die Feuer, die wir gewohnt waren.«

Hintergrund dieser Katastrophen im Südwesten der USA ist eine langanhaltende Trockenperiode. Sieben der zehn, seit 1960 verzeichneten heftigsten Wald- und Buschfeuer brannten in den letzten acht Jahren. Von der Jahrhundertdürre sind in besonders schlimmen Jahren die »gesamten Ebenen von Kanada bis Mexiko« betroffen, wie der marxistische Soziologe und Historiker Mike Davis in einem Beitrag für die linke US-Zeitschrift The Nation anmerkte. Davis erklärt den Begriff Dürre zum Euphemismus. Neuesten klimatologischen Untersuchungen zufolge seien Hitze und Trockenheit inzwischen das »normale Wetter« der Region. Der Klimawandel gehe in Kalifornien mit einer rapide fortschreitenden Verwüstung einher. Gewaltige, die verdorrte Vegetation unwiederbringlich vertilgende Feuersbrünste seien reguläre Begleiterscheinungen. In »19 unterschiedlichen Klimamodellen« sei die bevorstehende Austrocknung des Südwestens der USA prognostiziert worden, so Davis.

In diesem Jahr griff die Trockenheit auf Regionen der Vereinigten Staaten über, die bislang kaum Erfahrungen mit ihr haben; die Bundesstaaten Tennessee, Alabama und Georgia, zum Teil auch South und North Carolina, Kentucky und Virginia. Nach Auskunft des Nationalen Zentrums für Klimadaten (National Climate Data Center) sind inzwischen 43 Prozent des Territoriums der USA von »moderater bis extremer Dürre« betroffen. Selbst die zwischen Kanada und den USA gelegenen Großen Seen verzeichneten im Oktober die niedrigsten je gemessenen Wasserstände. Im Südosten der USA, einer Region, die für gewöhnlich über reichlich Niederschläge und Wasserressourcen verfügt, werden am laufenden Band Dürrerekorde gebrochen.

In Georgia gab es seit Menschengedenken keine so langanhaltende Trocken­periode. In der über vier Millionen Einwohner zählenden Bundeshauptstadt Atlanta soll in spätestens 350 Tagen keine adäquate Wasserversorgung der Bevölkerung mehr möglich sein. Das Wasserreservoir der Kommune, der in den 50er Jahren gestaute »Lake Lanier«, ist bereits ausgetrocknet. Und Atlanta ist bei weitem nicht die einzige Stadt, die womöglich bald auf dem Trockenen sitzt. In North Carolina drohen 17 städtische Wassersysteme demnächst auszufallen. In der Ortschaft Rock Springs (South Carolina) gibt es seit einem Monat kein Wasser mehr. Im Städtchen Orme (Tennessee) fließt es nur noch drei Stunden am Tag durch die Leitungen. In einigen Gebieten South Carolinas schaffen Farmer Wasser für ihr Vieh mit Lastwagen heran. 26 Prozent der südöstlichen USA leiden unter »extremer Dürre«, der höchsten Kategorie der US-Bundesbehörden.

Dabei ist die Trockenheit in den USA ein Mosaikstein in einem globalen Trend. Der Paläontologe Tim Flannery gab im progressiven US-Sender »Democracy Now!« einen Überblick über die weltweite Zunahme von Trockenheit und Feurersbrünsten: »Überall in der mediterranen Klimaregion, in Griechenland, Australien oder Kalifornien, treten extreme Lauffeuer auf. Wieso passiert das? Die Erde erwärmt sich, die Wüstenregionen expandieren. Genauso verhält es sich mit den Dürren. Es ist nicht nur der Südwesten der Vereinigten Staaten. Das südliche Europa hat auch seine großen Dürren und Wasserknappheit. Australien ist im Griff einer Dürre von nahezu unvorstellbarer Grausamkeit.« Von Hitzewellen und anhaltender Trockenheit waren in diesem Sommer zudem die Türkei rund um Ankara, weite Landstriche des nördlichen Mexiko, Teile des Balkan, Marokko und etliche Gebiete des Maghreb betroffen.

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