Automatisches Subjekt

04.04.2014
Ökonomie. Dem Kapitalverhältnis wohnt ein Wachstums- und Verwertungszwang inne. Durch ihn ist der globale Kapitalismus ein selbstzerstörerisches System effizienter Ressourcenverschwendung.

Was tun, wenn die selbst gesteckten Klimaschutzziele immer wieder nicht realisiert werden können? Auch bei diesem Problem weiß die pragmatische bürgerliche Realpolitik Rat: Man gibt die Postulierung verbindlicher Klimaschutzziele einfach auf. Diesen Weg schlug etwa die Regierung in Tokio im November ein, die damit ihre 2009 festgelegte Vorgabe, den CO2-Ausstoß bis 2020 um 25 Prozent gegenüber dem Referenzwert von 1990 zu senken, aufgab und als „nicht realisierbar“ und „völlig gegenstandslos“ bezeichnete. Der GAU im Reaktorkomplex von Fukushima zwinge Japan dazu, bei der Energieversorgung vermehrt auf fossile Energieträger zu setzen, so ein verbreiteter Erklärungsansatz für diesen klimapolitischen Rückzieher. In Europa agiert man hingegen etwas feinfühliger. Die EU-Kommission einigte sich im Januar nach dem üblichen Tauziehen auf ein Kompromissvorschlag, der die Reduzierung der CO2-Emissionen bis 2030 um 40 Prozent gegenüber 1990 vorsieht. Doch sollen viele der damit einhergehenden Ziele, wie die Erhöhung des Anteils regenerativer Energien bei der Energieerzeugung, ab 2020 auf dem Prinzip der Freiwilligkeit beruhen.

Schon längst gilt die Klimapolitik als eine lästige Pflichtübung, die zumeist als eine Hürde bei der sich intensivierenden Standortkonkurrenz betrachtet wird. Paradigmatisch für dieses Denken sind etwa die Äußerungen des österreichischen Wirtschaftsministers Reinhold Mitterlehner anlässlich des europäischen Klimakompromisses. Demnach sei „Energiepolitik auch Standortpolitik“. Industrien und damit Arbeitsplätze würden bei allzu strengen Rahmenbedingungen aus Europa abwandern, warnte Mitterlehner. Schließlich kann allen – inzwischen unverbindlichen – Klimaschutzzielen zum Trotz auf der entscheidenden, globalen Ebene keine Rede von einer Reduzierung der Treibhausgasemissionen sein. Ersten Prognosen des Global Carbon Project zufolge – einer Einrichtung, die alljährlich diesbezügliche Daten aus Forschungsinstituten zusammenträgt – wurde auch 2013 ein neuer Rekordwert bei den CO2-Emissionen erzielt, die rund 2,1 Prozent gegenüber denen von 2012 gelegen haben dürften. Das Scheitern der globalen kapitalistischen Klimapolitik wird aus längerfristiger Perspektive erst voll ersichtlich: Gegenüber 1990 sind die weltweiten Emissionen um 61 Prozent angestiegen.

An diesen Zahlen blamiert sich auch die unter dem Stichwort „Energiewende“ etablierte pseudoökologische Ideologie, die in der deutschen Öffentlichkeit in Reaktion auf die Umweltkrise etabliert wurde. Glaubt man den hiesigen Medien und Politikern, so werden ausgerechnet die Gesetzmäßigkeiten der kapitalistischen Marktwirtschaft die Lösung für all die ökologischen Verwerfungen liefern, die diese Marktwirtschaft selber produziert. Das Kapital sei die Lösung für die von Kapital verursachte ökologische Krise. Es wird die Errichtung eines ökologischen Kapitalismus, einer nachhaltigen, „grünen“ Marktwirtschaft gepredigt. Diese soll vermittelst einer umfassenden strukturellen Transformation des Kapitalismus, des sogenannten Green New Deal vollzogen werden. Der Ideologie eines „grünen“ Kapitalismus fällt somit angesichts der ökologischen Krisenerscheinungen künftig eine zentrale Rolle bei der Legitimierung der kapitalistischen Produktionsweise zu. Der massenmedial propagierte Irrglaube an einen ökologisch „nachhaltigen“ Kapitalismus wandelt das weitverbreitete dumpfe Gefühl, dass „es so nicht mehr weitergehen kann“, in ein Bekenntnis zur Fortführung eben dieser kapitalistischen Tretmühle. Die Ahnung, dass die kapitalistische Produktionsweise global an ihre ökologischen Grenzen stößt, kann somit ohne Weiteres in ein Plädoyer für einen „grünen Kapitalismus“ verwandelt werden.

Es sind nicht nur die empirischen, offen auf der Hand liegenden Zahlen zu den global beständig wachsenden CO2-Emissionen, die diese Ideologie an der Realität blamieren lassen. Viele der gefeierten ökologischen Zukunftsindustrien befinden sich ebenfalls in einer fundamentalen Krise. Nahezu die gesamte deutsche Fotovoltaikbranche ist inzwischen kollabiert, während in der Windenergiebranche eine Phase der Stagnation eingetreten ist.

Ressourcenverbrauch und Verwertungszwang

Dabei sind es nicht nur die üblichen Lobbyinteressen etablierter Industriezweige – wie etwa der Energiemultis oder der Autokonzerne –, die eine globale Energiewende verhindern, die diesen Namen auch gerecht würde. Im Folgenden soll hingegen argumentiert werden, wie das innerste Wesen des Kapitalverhältnisses zwangsläufig ein ökologisch schlicht selbstzerstörerisches Wirtschaftssystem hervorbringt. Es soll somit dargelegt werden, dass die Errichtung einer ökologisch nachhaltigen Lebensweise und Zivilisation im Rahmen der kapitalistischen Wirtschaftsweise schlicht unmöglich ist. Ein ökologischer Kapitalismus stellt somit einen Selbstwiderspruch dar. Damit soll im Umkehrschluss auch klargemacht werden, dass die Beibehaltung der kapitalistischen Wirtschaftsweise zwangsläufig die natürlichen, ökologischen Grundlagen der menschlichen Zivilisation zerstören wird.

Das kapitalistische Business as usuall gleich demnach einem Prozess der permanent ansteigenden Ressourcenverbrennung. Das Kapital muss seinem ureigensten Antriebsgesetz folgend immer größere Mengen an Energie und Rohstoffen „verfeuern“. Der Ressourcenbedarf des globalen kapitalistischen Verwertungsmotors wird weiter ansteigen, bis er an seine „äußere Schranke“ stößt, die in der Endlichkeit der Ressourcen unseres Planeten besteht. Dieser permanente Wachstumszwang des kapitalistischen Systems resultiert aus dem Wesen des Kapitals selber.

Als Kapital fungiert Geld, das durch einen permanenten Investitionskreislauf vermehrt, also „akkumuliert“ oder „verwertet“ werden soll. Das Wirtschaftswachstum ist hierbei nur der volkswirtschaftlich sichtbare Ausdruck der Kapitalakkumulation. Diese Akkumulationsbewegung ist tatsächlich an eine „stoffliche Grundlage“ gebunden. Spätestens seit dem Ausbruch der Finanzkrise ist klar geworden, dass dieser Prozess der Kapitalakkumulation an die Warenproduktion gekoppelt ist – und nicht etwa auf den Finanzmärkten aufgrund reiner Spekulationsprozesse dauerhaft aufrechterhalten werden kann. Vielmehr stellen Spekulationsblasen und aufgeblähte Finanzmärkte die Folgen einer kriselnden Warenproduktion dar.

Kapitalistischer, sich in Warenfülle äußernder „Reichtum“ muss tatsächlich produziert werden: Der Kapitalist investiert sein als Kapital fungierendes Geld in Rohstoffe, Arbeitskräfte und Energie, um in Fabriken hieraus neue Waren zu produzieren, die mit Gewinn verkauft werden. Das hierdurch vergrößerte Kapital wird in diesem uferlosen Verwertungsprozess in noch mehr Energie, Rohstoffe etc. investiert, um wiederum noch mehr Waren herzustellen. Dieser potentiell endlose Kernprozess kapitalistischer Produktion hat die Selbstverwertung, also das unaufhörliche Wachstum des Kapitals zum Ziel – niemand investiert sein Geld, um danach weniger oder genauso viel zu erhalten. Hiermit müssen auch die Aufwendungen – Rohstoffe und Energie – für diesen Verwertungsprozess permanent erhöht werden.

Das Kapital strebt somit nach einer möglichst hohen „Selbstvermehrung“; es ist Geld, das zu mehr Geld werden will. Dieser „hohle“, selbstbezügliche Prozess ist allen gesellschaftlichen oder ökologischen Folgen seiner beständig anwachsenden Verwertungstätigkeit gegenüber blind. Marx hat bekanntlich für diese gesamtgesellschaftliche Eigendynamik des Kapitalverhältnisses, dass – obwohl von den nach großmöglicher Kapitalverwertung strebenden Marktsubjekten unbewusst „hinter ihren Rücken“ hervorgebracht – der Gesellschaft als eine fremde, tendenziell instabile Macht, als ein oftmals krisengeschüttelter „Sachzwang“ gegenübertritt, den Begriff des „automatischen Subjekts“ eingeführt. Die zusehends schwindenden Ressourcen unserer Welt bilden das somit immer enger werdende Nadelöhr, durch das dieser wild wuchernde Prozess der Kapitalverwertung unter immer größeren Friktionen sich hindurchzwängen muss. Beide ökologischen Krisenprozesse – die Ressourcenkrise wie die Klimakrise – werden durch diesen Verwertungsprozess des Kapitals, das auf nationaler oder globaler Ebene einem automatisch nach Maximalprofit strebenden „Subjekt“ agiert, entscheidend befördert. Dieser bösartige „Weltgeist“ des Kapitals, vor dessen irrationalen Imperativen höchstmöglicher Selbstverwertung selbst die mächtigsten Kapitalisten zu Kreuze kriechen müssen, gleicht somit einem Schwarzen Loch, das die Ressourcen und Energieträger der Welt verschlingt, um sein wucherungsartiges Wertwachstum zu perpetuieren.

Das Kapital ist somit aufgrund dieser Notwendigkeit permanenter Expansion das logische Gegenteil einer ressourcenschonenden Wirtschaftsweise, die notwendig wäre, um ein Überleben der menschlichen Zivilisation zu sichern. Das Kapital kennt auch keine menschlichen Bedürfnisse, sondern nur die zahlungskräftige „Nachfrage“ derjenigen Menschen, die noch nicht aus dem Prozess der Kapitalverwertung herausgeschleudert wurden – und die in den Massenmedien einem konsumterroristischen Dauerbombardement ausgesetzt sind. Und deswegen herrscht ja auch in den Hungergebieten der Dritten Welt selbstverständlich keine Marktnachfrage nach Lebensmitteln, während zugleich rund 50 Prozent der Lebensmittel in der EU auf dem Müllhaufen landen.

Kapitalistische Produktivitätsfalle

Dieser autodestruktive Verbrennungsprozess der Lebensgrundlagen der menschlichen Zivilisation, der mit der Verwertungsbewegung des automatischen Subjekts zwangsläufig einhergeht, wird gerade in der gegenwärtigen Weltkrise des Kapitals durch Produktivitätssteigerungen zusätzlich angefacht. Die Verwertungsbewegung des „automatischen Subjekts“ ist durch einen „prozessierenden Widerspruch“ (Marx) gekennzeichnet. Rationalität ist in der kapitalistischen Warnproduktion nun mal einem irrationalen Selbstzweck – dem der größtmöglichen Akkumulation abstrakten Reichtums – unterworfen. Jedes Marktsubjekt strebt durch eine möglichst rationell organisierte Warenproduktion danach, möglichst hohe Profite zu realisieren und so Konkurrenzvorteile gegenüber den Mitbewerbern zu erzielen. Dies vollzieht sich durch Rationalisierungsmaßnahmen, bei denen der Anteil der Lohnarbeit am Produktionsprozess in etablierten Industriezweigen sukzessive verringert wird. Die Produktivitätsinnovationen und Rationalisierungsmaßnahmen, die ein Kapitalist eingeführt hatte, um einen Konkurrenzvorteil zu erringen, werden ja aufgrund der Marktkonkurrenz irgendwann von den verbleibenden Konkurrenten übernommen – bei gesunkener Gesamtbeschäftigung im betroffenen Industriezweig.

Diese Entwicklung kennzeichnet einen fundamentalen Widerspruch der kapitalistischen Produktionsweise. Die Lohnarbeit bildet die Substanz des Kapitals – doch zugleich ist das Kapital bemüht, durch Rationalisierungsmaßnahmen die Lohnarbeit aus dem Produktionsprozess zu verdrängen. Marx hat für diesen autodestruktiven Prozeß die besagte geniale Bezeichnung des „prozessierenden Widerspruchs“ eingeführt. Dieser Widerspruch kapitalistischer Warenproduktion, bei dem das Kapital mit der Lohnarbeit seine eigene Substanz durch Rationalisierungsschübe minimiert, ist nur im „Prozessieren“, in fortlaufender Expansion und Weiterentwicklung neuer Verwertungsfelder der Warenproduktion aufrechtzuerhalten. Derselbe wissenschaftlich-technische Fortschritt, der durch Rationalisierungsmaßnahmen zum Abschmelzen der Masse verausgabter Lohnarbeit in etablierten Industriezweigen führt, ließ auch neue Industriezweige oder Fertigungsmethoden entstehen.

Dieser „prozessierende Widerspruch“ bildet somit die Grundlage des „Strukturwandels“ der kapitalistischen Industriegesellschaften, bei dem „alte“ Industriezweige durch neue Industriesektoren ersetzt wurden, die wiederum massenhaft Lohnarbeit verwerteten. Doch genau dies funktioniert – nach dem Auslaufen des fordistischen Nachkriegsbooms in den 70er Jahren – zusendest nicht mehr, nachdem die Lohnarbeit aufgrund der Rationalisierungsschübe der mikroelektronischen Revolution sich innerhalb der Warenproduktion immer stärker verflüchtigt. Das System erstickt förmlich an seiner Produktivität, es befindet sich in einer Produktivitätsfalle, bei der die Rationalisierung der Warenproduktion so weit getrieben wurde, dass die ganzen Warenberge, die eine hyperproduktive Industrie ausspeit, nur noch dank der – nun an ihre Grenzen stoßenden – Kredit- und Blasenbildung an dem wuchernden Finanzsektor „auf pump“ abgesetzt werden können.

Diese spätkapitalistische Produktivitätsfalle lässt auch die ökologische Krise vollends eskalieren, wie anhand einer einfachen diesbezüglichen Analyse ersichtlich werden wird. Die permanenten Steigerungen der Produktivität nötigen den Spätkapitalismus dazu, die Verschwendung von Ressourcen und Rohstoffen massiv auszuweiten, ins Extrem zu treiben.

Im Rahmen der Kapitalverwertung sind nämlich alle ökologischen Ressourcen und Rohstoffe nur als Träger von Wert – also abstrakt menschlicher Arbeit – von Belang. Je höher aber die Steigerung der Produktivität, desto weniger abstrakte Arbeit ist in einem gegebenen Quantum Waren verdinglicht. Ein Beispiel mag das illustrieren: Wenn ein Fahrzeughersteller die Produktivität um zehn Prozent bei der Einführung eines neuen Fahrzeugmodells steigert – was durchaus branchenüblich ist -, dann muss er auch zehn Prozent mehr Autos umsetzen, um nur die gleiche Wertmaße zu verwerten. Um es mal konkret zu machen: Bei einem mit Rationalisierungsschüben einhergehenden Modellwechsel stellt sich die Frage, ob der Absatz um zehn Prozent gesteigert werden kann, oder zehn Prozent der Arbeiter entlassen werden.

Um den Verwertungsprozess des Kapitals im gewohnten Umfang auch nur aufrechtzuerhalten, müssen daher bei steigender Produktivität entsprechend mehr Waren produziert und abgesetzt werden. Eine Steigerung der Produktivität um 50 Prozent bedeutet, dass der Warenausstoß – und somit auch der Ressourcenverbrauch! – um 50 Prozent erhöht werden müssen. Deswegen gilt: Je größer die Produktivität der globalen Industriemaschinerie, desto stärker wird auch ihr Ressourcenhunger, da die Wertmasse pro produzierte Einheit tendenziell abnimmt. Ein Versuch, in der kapitalistischen Weltwirtschaft eine ressourcenschonende Produktionsweise einzuführen, ist somit unmöglich – er käme einer Kapitalvernichtung gleich.

Die Produktivitätssteigerung, die eigentlich zur Realisierung einer ressourcenschonenden Wirtschaftsweise unabdingbar ist, wirkt im Kapitalismus als ein Verbrennungsbeschleuniger, da hier eine blinde, funktionalistische Rationalität dem irrationalen, und an seinen eskalierenden Widersprüchen zugrunde gehenden Selbstzweck uferloser Kapitalverwertung dienen muss. Aus diesem durch Rationalisierungsschübe ins Extrem getriebenen Verwertungszwang ergibt sich die besagte Tendenz zur immer weiter beschleunigten effizienten Ressourcenverschwendung.

Ein Paradebeispiel für diese Tendenz zur liefert die US-amerikanische Maisindustrie, die seit der grünen Revolution in den Siebzigern die US-Verbraucher mit dem Maissirup beglückt. Dieses gesundheitsschädliche Zuckerkonzentrat hat den gewöhnlichen Zucker weitgehend verdräng. Der Filmemacher Curt Ellis hat in seinem Dokumentarfilm „King Corn“ die Geschichte und die Folgen der Industrialisierung der amerikanischen Maisbranche beleuchtet. Er schilderte die Einführung des Maissirup in einem Interview folgendermaßen: „In den Siebzigern wurde diese enorme Steigerung der Maiserträge erreicht, und nun tauchten überall im Mittleren Westen diese gigantischen Maisberge auf. Deswegen schien alles hilfreich, um diese Maismengen verwenden zu können – wie eben der Maissirup, der sich nun in tausenden von Produkten wiederfindet. Er ist überall, er ist in deiner Spaghettisoße oder in einem Laib Brot – in Produkten, in denen er vor einer Generation noch nicht zu finden war.“

Produktivitätssteigerungen in der kapitalistischen Agrarindustrie führen somit nicht zu einer Schonung der begrenzten natürlichen Ressourcen, sondern zum Bemühen, auf Biegen und Brechen neue Nachfragefelder zu schaffen, um den Verwertungsprozess aufrechtzuerhalten – und wenn es der menschliche Körper sein muss, der als Maissirupmüllhalde missbraucht wird. Das Kapital fungiert somit als eine Weltvernichtungsmaschine, es stößt an seine äußeren, ökologischen Grenzen – die endliche Welt wird von der uferlosen und selbstbezüglichen Verwertungsbewegung des Kapitals buchstäblich verbrannt.

Jenseits des Kapitals

Dieser zunehmende Widerspruch zwischen Produktivkräften und kapitalistischen Produktionsverhältnissen erklärt auch die zunehmenden Tendenzen zur geplanten Obsoleszenz beim Warendesign. Hierunter ist der geplante Verschließ zu versehen, der bei der Konzeption eines Produkts eingebaut wird – der durch den Einbau von Sollbruchstellen. Je schneller ein Produkt nach dem Ablauf der Garantie kaputt geht, desto schneller stellt sich die entsprechende Marktnachfrage ein, die zur Realisierung der Kapitalverwertung notwendig ist. Der Spätkapitalismus produziert somit buchstäblich für die Müllhalde, um hierdurch der stockenden Verwertungsmaschine neue Nachfrage zu verschaffen.

Dabei sind die materiellen und technischen Bedingungen einer ökologischen Wende gegeben. Das enorme Produktivitätspotenzial, das im Rahmen der kapitalistischen Produktionsweise die Umweltzerstörung nur noch weiter beschleunigt, könnte jenseits des Kapitalverhältnisses zur Errichtung einer nachhaltigen Wirtschaftsweise beitragen. Es gilt, sich den absurden Charakter der gegenwärtigen Krise nochmals vor Augen zuführen: Es handelt sich um eine Überproduktivitätskrise, der Kapitalismus erstickt an seiner Produktivität – und reagiert darauf mit der Produktion immer größerer Warenberge, die möglichst schnell auf den Müll landen sollen. Erst wenn die gesellschaftliche Reproduktion nicht mehr dem Selbstzweck der Kapitalverwertung untergeordnet ist, sondern direkt der Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse dient, kann eine ökologisch nachhaltige Wirtschaftsweise errichtet werden. Dies ist „das Einfache, das schwer zu machen ist,“ wie Brecht es formulierte.

Bei dem Kampf gegen den drohenden ökologischen Kollaps geht es somit nicht um einen reaktionären Antiproduktivismus, um eine Rückkehr zu vormodernen Produktionsweisen. Vielmehr müssen die produktiven Potenzen und technischen Möglichkeiten, die der Kapitalismus selbst hervorgebracht hat, in einem ungeheuren transformatorischen Akt jenseits des Kapitalverhältnisses zu Aufbau einer nachhaltigen Gesellschaftsformation verwendet werden. Die Produktivitätsfortschritte, die derzeit nur die kapitalistische Verbrennung der globalen Ressourcen beschleunigen, würden dann tatsächlich deren Schonung ermöglichen. Es geht letztendlich um die Befreiung der Produktivkräfte aus den Fesseln der kapitalistischen Produktionsverhältnisse. Die Überwindung des in seiner Krise regelrecht amoklaufenden Kapitalverhältnisses stellt somit eine Überlebensfrage der Menschheit dar. Die antikapitalistische Linke muss bei ihrer diesbezüglichen Argumentation nicht so sehr an die Moral der Menschen appellieren, sondern an ihren Überlebensinstinkt.

Nach oben scrollen