Polens Königsmacher

„Junge Welt“, 23.08.2007
Trotz antisemitischer Haßtiraden und schärfster Beleidigung des Präsidenten – »Vater Rydzyk« bleibt an den Schalthebeln der medialen Macht

Vater Rydzyk hat es mal wieder geschafft. Wie die polnische Staatsanwaltschaft am 21. August mitteilte, werden die gegen ihn aufgenommenen Ermittlungen wegen »Beleidigung des Staatsoberhauptes und der jüdischen Nation« eingestellt. Der polnische Redemptoristenmönch Tadeusz Rydzyk gebietet über ein weitverzweigtes Medienimperium, das durch seine erzkonservative und nationalistische Stimmungsmache im gesamten Land berüchtigt ist. Polens umstrittenster Geistlicher konnte schon vor wenigen Wochen einen beachtlichen Erfolg erzielen, als er eine Audienz bei Benedikt XVI. erhielt. Wie die katholische Tageszeitung Nasz Dziennik berichtete, dankte der deutsche Papst den Hörern des von Rydzyk betriebenen Senders Radio Maryja »für ihre Gebete«. Zudem habe der Papst »Radio Maryja und alle bei ihm entstandenen Werke gesegnet«, triumphierte die ebenfalls von Rydzyk geführte Zeitung.
Ob nun beabsichtigt oder nicht, der aus Bayern stammende Benedikt XVI. segnete somit auch die antisemitischen Ausfälle, die in unregelmäßigen Abständen von den Medien dieses Erlöser-Konzerns verbreitet werden. Was im Kopf dieses katholischen Medienmoguls vorgeht, offenbarten heimlich mitgeschnittene Aufnahmen von Vorträgen, die Rydzyk vor Studenten einer seiner Lehreinrichtungen hielt. So bezeichnete er die Präsidentengattin als eine »Hexe«, die man der Euthanasie zuführen sollte. Polens Staatschef Lech Kaczynski sei ein Betrüger, der vor »den Juden« gesteuert werde. Nachdem diese Aufnahmen vom polnischen Magazin Wprost am 9. Juli veröffentlicht wurden, sah es eine Zeitlang so aus, als ob Rydzyk endlich stürzen würde.

Die Staatsanwaltschaft nahm die besagten Ermittlungen gegen Rydzyk auf. Doch die Kaczynski-Zwillinge reagierten auf die heftigen Beleidigungen ausgesprochen defensiv. Nachdem die Echtheit der Aufnahmen feststand, folgten vorsichtige Mahnungen der regierenden »Partei Recht und Gerechtigkeit« (PiS) in Richtung des Redemptoristenordens, sich doch bitte zu entschuldigen. Am 13.Juli erklärte Jaroslaw Kaczynski, daß die ganze Angelegenheit »von den Medien aufgebauscht wurde«. Am 24. Juli teilte schließlich der Sekretär des Präsidenten der Presse mit, daß dieser eine lustlose Entschuldigung von Vater Rydzyk annehme und man froh sei, »daß die Worte des Bedauerns gefallen sind«.

Diese Zurückhaltung der ansonsten wenig zimperlichen Zwillinge resultiert aus dem Respekt vor der Mobilisierungsfähigkeit der Medienmaschine Rydzyks. In die Hunderttausende geht die hauptsächlich aus armen Rentnern bestehende Anhängerschaft des von ihnen abgöttisch verehrten »Vaters«. Der erzkonservative Hirte disponiert somit über eine gehorsame Herde von Schäfchen, die er als Stimmvieh bei Wahlgängen gegen möglichst großen politischen Einfluß zu tauschen bereit ist. Die Entscheidung des Redemptoristen, im zurückliegenden Wahlkampf die Kaczynskis zu unterstützen, galt als entscheidender Beitrag zum Sieg der Konservativen. Doch die einstige Wahlallianz bröckelt inzwischen. Der Orden nimmt die Weigerung eines Teils der PiS, für ein absolutes Abtreibungsverbot zu stimmen, als einen »Betrug« an Versprechen wahr, die offenbar im Vorfeld der Wahlen gemacht wurden.

Sollte das polnische Parlament am 7. September tatsächlich den Weg für vorgezogene Neuwahlen freimachen, so würde »Vater Rydzyk« sich erneut als Königsmacher im rechten Parteienspektrum betätigen können. Mit dem kürzlich aus populistischer »Selbstverteidigung« (SO) und rechtsradikaler »Liga der Polnischen Familien« (LPR) geformten Wahlbündnis »Liga und Selbstverteidigung« (LiS) verfügt Rydzyk über eine politische Alternative. Die Anführer des LiS, der Vorsitzende der LPR und Bildungsminister Roman Giertych, sowie der jüngst als Vizepremier entlassene SO-Chef Andrzej Lepper, verloren keine Zeit: Inzwischen ist bekannt, daß Lepper sich mit Rydzyk traf, um von ihm den »Segen für die neue Bewegung« zu erbitten. Dieser »Segen« verfehlte seine Wirkung nicht: Die Umfragewerte der PiS befinden sich im Sinkflug, während die LiS inzwischen auf ein zweistelliges Wahlergebnis hoffen kann.

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