Flucht in die Neuwahlen?

„Junge Welt“, 14.08.2007
Polen: Kaczynski-Brüder nunmehr für einen vorgezogene Urnengang

Die liberale Gazeta ­Wyborcza konnte ihre Genugtuung kaum verbergen, als sie am Montag über den jüngst entfachten Aufruhr innerhalb der noch regierenden konservativen Partei »Recht und Gerechtigkeit« (PiS) berichtete. Deren Abgeordnete hätten Angst vor den für den Herbst dieses Jahres angekündigten vorzeitigen Wahlen, so die Tageszeitung. »Die Kollegen beten, daß diese Abstimmung nicht stattfindet«, kommentierte ein PiS-Abgeordneter aus Warschau. Allerdings dürften deren Gebete kaum erhört werden. Denn: Mit der Entlassung der Minister der kleineren Regierungsparteien läutete ihr Parteifreund, Polens Präsident Lech Kaczynski, am Montag das formale Ende der Koalition ein. Die Juniorpartner der PiS, die rechtsradikale »Liga der Polnischen Familien« und die populistische »Selbstverteidigung«, hatten zuvor mit der LiS (Liga und Selbstverteidigung) ein Wahlbündnis gegründet, das sich zu einer ernsthaften Herausforderung für die Kaczynskis entwickeln könnte.
Dennoch steht nicht hundertprozentig fest, ob es zu einem vorzeitigen Wahlgang kommt. Zuvor müßte das polnische Parlament am 22. August, nach dem Ende der Sommerpause, über seine Selbstauflösung abstimmen. Für viele der PiS-Parlamentarier käme ein zustimmendes Votum einem politischen Selbstmord gleich: Nur noch etwa 20 Prozent Stimmenanteil werden der Partei laut jüngsten Umfragen vorhergesagt. Die rechtsliberale PO (Bürgerplattform) darf hingegen auf mehr als 30 Prozent hoffen, das populistische-rechtsradikale Wahlbündnis LiS könnte mehr als zehn Prozent erhalten.

Die Entscheidung zur Neuwahl dürfte aber auch beeinflußt werden von der Angst der Parteiführung vor einem Niedergang der PiS. Dieser wird vor allem deswegen erwartet, weil die Kaczynskis ihr zentrales Wahlversprechen, die Eindämmung der Korruption, nicht einlösten. Der kürzlich von Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski entlassene Exvizepremier Andrzej Lepper beschuldigt das von der PiS kontrollierte Antikorruptionsbüro CBA, seinen Mitarbeitern Bestechungsofferten unterbreitet zu haben. Die PiS scheint zu versuchen, die aufkommende Affäre durch vorgezogene Neuwahlen in den Hintergrund zu drängen. Ob ihr das gelingt, bleibt fraglich. Die PO erklärte am Montag, daß sie nicht bereit ist, auf eine Untersuchungskommission zur »CBA-Affäre« im »Austausch für Neuwahlen« zu verzichten.

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