Glückwünsche an die Waffen-SS

„Junge Welt“, 07.08.2007
Geschichtsrevisionismus in Estland und Westukraine weiter auf dem Vormarsch

Die estnischen Behörden geben sich weiterhin alle Mühe, ihre europaweite Spitzenposition in Sachen Geschichtsrevisionismus zu verteidigen. Wie am 1. August bekannt wurde, verhinderten kommunale Dienststellen die Enthüllung eines antifaschistischen Denkmals in der ostestnischen Ortschaft Metsakivi. Das Monument sollte 14 Einwohnern gewidmet werden, die im Sommer 1941 von deutschen Nazisoldaten erschossen worden sind. Lokale Politiker intervenierten aber sehr schnell, da einer der Erschossenen mit der Sowjetunion sympathisiert und mit der Roten Armee zusammengearbeitet haben soll. Der estnische Sicherheitsdienst Kaitsepolitseiamet nahm Ermittlungen in dieser Angelegenheit auf. Sollte sich unter den 14 Erschossenen tatsächlich ein Kommunist befunden haben, bleibt die Enthüllung des Denkmals eher unwahrscheinlich.

Doch Estlands Regierungsmitglieder können auch überaus tolerant und gastfreundlich agieren. Auf über 800 Teilnehmer ist in diesem Jahr das alljährliche Treffen von Veteranen der Waffen-SS angewachsen, dem der estnische Verteidigungsminister eigens ein Glückwunschschreiben übermittelte. Inzwischen nehmen auch Alt- und Neonazis aus mehreren europäi­schen Ländern an der Zusammenkunft teil, bei dem am 28. Juli der Kämpfe an der Tannenbergstellung 1944 gedacht worden war, während der die 20. estnische SS-Division von der Roten Armee größtenteils aufgerieben wurde. Heutzutage werden diese SS-Männer von der estnischen Regierung als »Helden der Freiheit« geehrt.

Das russische Außenministerium brachte in einer öffentliche Erklärung seine Entrüstung über diese staatlich geförderten faschistischen Umtriebe zum Ausdruck. Darin wertet Moskau das Verhalten des Kabinetts in Tallinn als »Duldung von Versuchen, den Nazismus zu popularisieren«, wie die Nachrichtenagentur ITAR-TASS berichtet. Neben der russischen Regierung protestierten vor Ort auch Veteranen der Roten Armee und linke Organisationen gegen diese faschistische Zusammenrottung. Nahezu alle Institutionen der Europäischen Union schwiegen zu den skandalösen Vorfällen.

Neuerdings erhalten die estnischen Geschichtsrevisionisten unerwartete Konkurrenz aus der Westukraine, der Heimat zahlreicher Nazikollaborateure und faschistischer Organisationen wie der »Ukrainischen Aufstandsarmee« UPA, die sich während des Zweiten Weltkrieges beim Kommunisten- und Judenmord auch von ihren estnischen Kriegsgefährten nicht übertreffen ließen. Auf Initiative der Stadtratsfraktion der rechtsradikalen Partei »Swoboda« in der Oblasthauptstadt Lwiw, die sich noch vor kurzem »Nationalsozialistische Partei der Ukraine« nannte, wurde eine Kommission gegründet, die alle sowjetischen Denkmäler in der Region zwecks baldigen Abrisses erfassen soll. Am 30. Juli ergriff man schließlich im benachbarten westukrainischen Tscherwonograd die Initiative und riß ein sowjetisches Ehrenmal ab, da dieses angeblich »baufällig« gewesen sei.

Noch ist die Verherrlichung faschistischer Barbarei nicht zum historischen Konsens Osteuropas avanciert. In dem slowakischen Städtchen Stary Tekov wurde jüngst ein Denkmal für dessen sowjetische und rumänische Befreier errichtet. Bei der Einweihung waren Vertreter der slowakischen Landesführung zugegen, die sich eindeutig gegen Versuche aussprachen, die Geschichte zu verfälschen. An dem neu errichteten Denkmal wurden Kränze des slowakischen Nationalrates und des Verteidigungsministeriums niedergelegt.

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