»Im Vordergrund sollte stehen, was uns verbindet«

„Junge Welt“, 20.07.2007
In Polen formiert sich aus mehreren Parteien und Organisationen ein neues Linksbündnis. Ein Gespräch mit Pawel Bozyk

Professor Pawel Bozyk ist Vorsitzender der »Bewegung zur wirtschaftlichen Genesung« Polens (ROG). Bozyk war in den 70er Jahren Wirtschaftsberater des polnischen Staats- und Chefs Edward Gierek, nach dem die ROG benannt ist
Am 13. Juli nahm der »Kongreß der Verständigung der Linken« seine Arbeit in Polen auf. Was ist die Idee dieses Bündnisses?
Meine Konzeption beruhte ursprünglich darauf, mit der »Verständigung der Linken« die gesamte Linke, inklusive der sozialdemokratischen »Vereinigung der Linken« (SLD), der »Sozialdemokratie Polens« (­SDPL) sowie der »Union der Arbeit«, zu vereinigen. Aber diese Parteien wählten die Zusammenarbeit mit den Liberalen der »Bürgerplattform« (PO). Letztendlich fanden sich in der »Verständigung der Linken« die Polnische Arbeitspartei (PPP), die Polnische Sozialistische Partei (PPS), die antiklerikale Partei (RACJA) und die »Bewegung zur wirtschaftlichen Genesung« (ROG) wieder. Einen Beobachterstatus nehmen aber viele linke Organisationen und Gewerkschaften ein. Zudem haben weitere Gruppierungen und Organisationen ihren Willen zum Beitritt bekundet.

Was ist der gemeinsame Nenner?
Unsere Zusammenarbeit beruht derzeit auf den gemeinsamen antineoliberalen ökonomischen Ansichten. Gemeinsam widersetzen wir uns der Idee, alle Sektoren der Wirtschaft total zu privatisieren. Wir favorisieren die Erhöhung des Anteils des Staatshaushalts bei der Verteilung des Bruttosozialprodukts (BSP). Derzeit entspricht das polnische Budget nur 30 Prozent des BSP, was einer der niedrigsten Werte in Europa ist. Wir wollen diejenigen 60 Prozent der Gesellschaft repräsentieren, die seit 1989 nicht reicher, sondern ärmer geworden sind.

Zum Umfeld der »Verständigung der Linken« gehören auch Politiker der sozialdemokratischen SLD. Ist in Polen möglich, was Oskar Lafontaine und die WASG in Deutschland gemacht haben?
Viele Aktivisten der SLD widersprechen dem wirtschaftsliberalen Kurs ihrer Parteiführung immer stärker. Es gibt linke Plattformen in der SLD, deren Vertreter auch am »Kongreß der Verständigung der Linken« teilnahmen. Einige von ihnen engagieren sich sehr stark bei uns. Somit denke ich durchaus, daß der Weg, den Oskar Lafontaine und die WASG genommen haben, ein Beispiel für viele Aktivisten der SLD werden kann.

Dennoch ist das Verhältnis zur SLD ein Problem in der »Verständigung der Linken«. Boguslaw Zietek, der Vorsitzende der Polnischen Arbeitspartei (PPP), lehnt eine Zusammenarbeit mit der SLD ab. Haben Sie keine Angst, daß diese Schwierigkeiten die weitere Zusammenarbeit gefährden könnten?
Wir beide begrüßen die Zusammenarbeit mit den normalen Mitgliedern der SLD, aber nicht mit ihrer Führung, die eine neoliberale politische Linie verfolgt. Im Vordergrund sollte nicht stehen, was potentielle Mitglieder der »Verständigung der Linken« trennt, sondern das, was uns verbindet. Wir haben keinen Kontakt mit der Parteispitze der SLD, die uns vor einiger Zeit noch vorschlug, einem nicht näher bezeichneten programmatischen Forum beizutreten. Das haben wir entschieden abgelehnt.

Auf dem »Kongreß der Verständigung der Linken« waren als Gäste auch Vertreter der Partei Samoobrona des kürzlich entlassenen Vizepremiers Andrzej Lepper zugegen. Die Partei hat jetzt ein Bündnis mit den Ultranationalisten der »Liga der Polnischen Familien« (LPR) gegründet. Wollen Sie weiterhin mit dieser Gruppierung zusammenarbeiten?
Am 17. Juli hat der Pressesprecher der Samoobrona erklärt, mit uns zusammenarbeiten zu wollen. Es gibt aber keine Möglichkeit der Kooperation mit den Nationalisten und religiös Orthodoxen der LPR. Das Parteiprogramm der Samo­obrona hat in einigen Punkten einen fortschrittlichen und sozialen Charakter, und wir möchten mit einer sozial orientierten Linken zusammenarbeiten. Der letzte Schachzug der Samoobrona, das Bündnis mit der LPR, kann dazu führen, daß ein Teil von Leppers Wählerschaft auf unsere Seite wechselt.

Hat die »Verständigung der Linken« eine Chance, ins Parlament zu kommen?
Wir haben in Polen eine sehr angespannte und dynamische Situation. Sollte es vorgezogenen Wahlen schon im Herbst geben, sind wir noch nicht zur effektiven Teilnahme an einem Urnengang bereit. Aber bei Parlamentswahlen im Frühjahr nächsten Jahres würden unsere Chancen stark wachsen.

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