Einbruch und Einschüchterung

„Junge Welt“, 17.07.2007
Überfall auf »Büro gegen Rückgabeforderungen« in Olsztyn. Drohung gegen polnischen EU-Abgeordneten

Inzwischen scheint es nicht mehr ganz so ungefährlich zu sein, sich in Masuren gegen deutschen Revisionismus und Revanchismus zu engagieren – diese Erfahrung mußte zumindest der polnische Europaparlamentarier Boguslaw Rogalski machen. Der aus der masurischen Hauptstadt Olsztyn stammende Politiker wurde auf der Liste der rechtsextremen »Liga der Polnischen Familien« (LPR) ins EU-Parlament gewählt und verließ nach einem Zerwürfnis mit deren Führer Roman Giertych diese Partei.

Der nunmehr unabhängige EU-Parlamentarier organisiert zur Zeit den Widerstand gegen die von diversen deutschen Organisationen und Privatpersonen betriebenen Entschädigungs- sowie Rückgabeforderungen und Kampagnen. Die »Preußische Treuhand« ist zum Beispiel ein hauptsächlich von der Schlesischen Landsmannschaft und deren Vorsitzenden Rudi Pawelka getragenes »Unternehmen«, das die »Eigentumsansprüche« der in ihm organisierten Berufsvertriebenen und deren Nachkommen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte durchsetzen will. Von den 22 Einzelbeschwerden um Eigentumsrückgabe, die die Preußische Treuhand von dem Gerichtshof im Dezember 2006 einreichte, befinden sich etliche in Masuren. Hinzu kommen nun die um sich greifenden privaten Klangen von Spätaussiedlern vor polnischen Gerichten.

Eine erste Bestandsaufnahme der deutschen Klagewelle führte ein »Büro gegen Rückgabeforderungen« in Olsztyn durch, das von Rogalski im Mai gegründet wurde. Dieses Büro soll einen Überblick über revanchistische Bestrebungen deutscher Organisationen ermöglichen und den Widerstand dagegen koordinieren. Rogalski forderte schon anläßlich der Gründung des Büros Mitte Mai, die Grundbücher zu überprüfen und eine Gesetzesinitiative zu starten, um der Klageflut deutscher Spätaussiedler die Rechtsgrundlage zu entziehen.

Zudem tritt Olsztyns EU-Parlamentarier für eine koordinierte staatliche Unterstützung für Hausbesitzer ein, die durch deutsche Rückgabeforderungen bedroht sind. »Während die deutsche Regierung offiziell die Eigentusansprüche ihrer Bürger nicht unterstützt, finanziert sie doch die Vertriebenenorganisationen, die polnische Regierung verhält sich genau umgekehrt – sie unterstützt, aber finanziert nicht diejenigen Bürger, die sich gegen deutsche Rückgabeforderungen wehren müssen«, erklärte Rogalski gegenüber der polnische Tageszeitung Gazeta Olsztynska.

Am 4. Juni, als Rogalski in der Kleinstadt Kortowo eine Konferenz zum Thema der deutschen Eigentumsforderungen abhielt, brachen unbekannte Täter in sein in Olsztyn gelegenes Abgeordnetenbüro ein. Zugleich erhielt der EU-Parlamentarier einen anonymen Drohbrief, in dem unter anderem gedroht wurde, mit dem »Blut seiner Tochter die deutsche Erde zu heiligen«. »Man wollte mich wohl warnen, damit ich mich mit diesem Thema nicht beschäftige«, so Rogalski. Er habe schon sehr oft Drohungen erhalten, sowohl per E-Mail als auch auf dem gewöhnlichen Postweg, doch hier müsse sich jemand besonders viel Mühe gegeben haben, da sein Büro gut gesichert gewesen sei. Doch zum Glück seien die Räumlichkeiten gerade renoviert worden und die Täter mußten mit leeren Händen abziehen.

Ein paar Tage später wurde wiederum bei Rogalski eingebrochen. Doch diesmal verschwanden auch wichtige Unterlagen, die sich mit diversen deutsch-polnischen Streitthemen befaßten, sowie Kontaktadressen und Listen.

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