Polens neuer Exportschlager

Publiziert am 12.10.2005 in „junge welt“

Arbeiter bescheren dem westlichen Kapital Rekordprofite. Kapitalabfluß statt Reinvestition

Unser östlicher Nachbar entwickelt sich zu einem Wirtschaftsstandort der Spitzenklasse. Beim Kapitaltransfer werden 2005 voraussichtlich alle Rekorde der polnischen Wirtschaftsgeschichte gebrochen werden. Kleiner Schönheitsfehler daran – dieser Transfer verläuft von Ost nach West.

Noch nie hat in Polen investiertes, westliches Kapital eine dermaßen hohe Rendite abgeworfen wie derzeit. Laut den Berechnungen der polnischen Tageszeitung Rzeczpospolita können sich westeuropäische und US-amerikanische Investoren sowie Aktionäre der in Polen tätigen Konzerne auf eine Rekorddividende von zwölf Milliarden Zloty (ca. drei Milliarden Euro) freuen. Noch im Vorjahr flossen mit 9,4 Milliarden Zloty nur ca. 70 Prozent des für 2005 prognostizierten Profits aus der polnischen Produktion auf die Konten westlicher Investoren und Aktionäre. Der in der statistischen Kategorie »Dividendenauszahlung aus Unternehmensgewinnen an ausländische Aktionäre« offiziell erfaßte Kapitaltransfer von Ost nach West hat sich seit der Jahrtausendwende verfünffacht.

Die Rzeczpospolita wie auch andere wirtschaftsliberale Konzernmedien erklären die steigenden Profite ausländischer »Global Player« mit der guten Konjunktur in Polen. Linke Kritiker hingegen, wie Lukasz Foltyn vom Internetportal Lewica.pl sehen die Ursache für den Anstieg des Kapitaltransfers in den Unternehmenssteuersenkungen durch die abgewählte sozialdemokratische Regierung. Die Postkommunisten sahen in der Senkung der Körperschaftsteuer auf 19 Prozent einen »Erfolg linker Politik«, da hierdurch die Unternehmen mehr investieren und schließlich Arbeitsplätze schaffen würden.

Zur Finanzierung dieser Steuergeschenke für das Kapital waren harte Einschnitte in das Sozialsystem notwendig. So sei beispielsweise die Kopplung der Rentenerhöhungen an die Inflation aufgegeben worden, so Foltyn. Das Scheitern dieser neoliberalen Wirtschaftsstrategie ist offensichtlich: Die Arbeitslosigkeit liegt in Polen immer noch bei knappen 20 Prozent, die realen Löhne sinken weiter – der einzige polnische »Exportschlager« scheinen nun die fetten Dividenden zu sein, die westeuropäische und US-amerikanische Anleger erfreuen.

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