»Die Mörder haben ihr Ziel garantiert nicht erreicht«

„Junge Welt“, 26.04.07
In Mexiko wurde ein Aktivist der Landarbeitergewerkschaft erschlagen. Ein Gespräch mit Benjamin Davis

Benjamin Davis ist mexikanischer Repräsentant des US-amerikanischen Gewerkschaftsdachverbands AFL-CIO (American Federation of Labor and Congress of Industrial Organizations). Er leitet die mexikanische Abteilung des »American Center for International Labor Solidarity« der AFL-CIO, das die Gründung und Arbeit von Gewerkschaften im südlichen Nachbarland der USA unterstützt

Am 9. April wurde Santiago Rafael Cruz, ein Aktivist der Landarbeitergewerkschaft im mexikanischen Monterrey, brutal ermordet? Gibt es inzwischen Erkenntnisse der Polizei über die Hintergründe?

Santiago Rafael Cruz wurde am Morgen des 9. April in dem Büro des »Farm Labor Organizing Committee« (FLOC) tot aufgefunden. Er war gefesselt und zu Tode geprügelt worden. Die Polizei äußerte unter anderem die Vermutung, daß konkurrierende Gewerkschaften für seinen Tod verantwortlich sein könnten. Wir befürchten, daß die Ermittlungsbehörden keine seriöse Untersuchung dieses brutalen Mordes durchführen werden.

Wieso nicht? War die FLOC schon früher Repressionen ausgesetzt?

Nach zehnjährigem Kampf ist es uns gelungen, in Monterrey ein Büro der FLOC zu gründen und einen Vertrag mit der Farmervereinigung von North Carolina zu schließen. Wir vermitteln jährlich 8000 Saisonarbeiter legal an die dortigen Großfarmer, die sich im Gegenzug verpflichtet haben, Mindestlöhne zu zahlen, für Unterbringung zu sorgen und die Fahrtkosten zu begleichen. Die Arbeit auf den US-amerikanischen Plantagen ist sehr begehrt, da dort die Mindestlöhne für die Landarbeiter immer noch beim Zehnfachen der in Mexiko üblichen Entlohnung liegen.

In dem FLOC-Büro können die Landarbeiter nun unentgeltlich die entsprechenden Arbeitsvisa für die USA beantragen. Die FLOC ist seit längerem Drohungen und Schikanen ausgesetzt. Das Gewerkschaftsbüro wurde mehrmals verwüstet, wir wurden in den Medien verunglimpft und verleumdet; etliche Male verhaftete die Polizei unsere Aktivisten.

Wie erklären Sie diesen Haß?

Normalerweise verpflichten die US-amerikanischen Farmervereinigungen freie Unternehmer, die dann die Landarbeiter zu ihren eigenen Konditionen werben. Diese Werber beschäftigen ihrerseits Subunternehmer, die auf lokaler Ebene Agenten zur Werbung von Arbeitskräften einsetzen. Es gibt also eine ganze Kette von Profiteuren, die sich diese in Mexiko begehrten Arbeitsplätze teuer von den Landarbeitern erkaufen lassen. Die Werber verlangen zum Beispiel Gebühren, die bis zu 2000 Dollar betragen können. Die Wanderarbeiter müssen für Transport, Unterbringung, usw. selber aufkommen. An dieser Art von Vermittlung von Landarbeitern verdient dieses Netzwerk von Arbeitswerbern und Schleusern sehr gut, und in einer grenznahen Stadt wie Monterrey haben sie natürlich auch erheblichen Einfluß. Die FLOC stört die Geschäfte dieses Netzwerks empfindlich.

Sie vermuten die Mörder in den Reihen solcher Arbeitswerber?

Ja, nach meiner Einschätzung ist es sehr wahrscheinlich, daß die Auftraggeber des Mordes aus diesen Reihen kommen. In Mexiko wurden im April 2006 während eines Streiks mehrere Minenarbeiter von Sondereinheiten der Bundespolizei getötet, die Repression in Oaxaca dauert immer noch an. Doch man muß auch sagen, daß Mexiko kein zweites Kolumbien ist, wo Gewerkschafter sehr oft ermordet werden. Morde an Gewerkschaftern passieren hier selten – wobei jedes Mordopfer eins zuviel ist.

Welche Auswirkungen hatte der brutale Mord an Santiago Rafael Cruz auf die Arbeit der FLOC?

Die Aktivisten der FLOC vor Ort haben sich nicht einschüchtern lassen. Sie sind entschlossen, ihren Kampf trotz der Repression fortzuführen. Es ist eher eine stärkere Entschlossenheit innerhalb der Gewerkschaft zu beobachten. Die Mörder haben ihr Ziel also garantiert nicht erreicht. Wir erfuhren auch eine breite Welle internationaler Solidarität, Gewerkschaften aus aller Welt haben uns ihre Verbundenheit versichert. Wir freuen uns, wenn ausländische Gewerkschaften, Parteien und Privatpersonen Anfragen an mexikanische Botschaften und Konsulate zu diesem Fall richten und ihrer Besorgnis Ausdruck verleihen. Diese Protestform ist ausdrücklich erwünscht – auch 00 Euro zugefügt haben. Jetzt kämpfen Belegschaft und Gewerkschafter darum, daß der Konzern diese Repression zurücknimmt.

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