Mit neuer Partei

„junge Welt“ 03.01.2007
Frauen in Polen schließen sich zusammen. Widerstand gegen Diskriminierung und drohendes Abtreibungsverbot

Ende Dezember vergangenen Jahres stellte die bekannte polnische Schriftstellerin Manuela Gretkowska bei den Warschauer Behörden einen Antrag auf Zulassung der polnischen Frauenpartei. Laut Gretkowska wird die Frauenpartei gegen die massive Diskriminierung von Frauen in vielen Lebensbereichen der polnischen Gesellschaft kämpfen. Zum einen stehen soziale Forderungen im Zentrum des Parteiprogramms. So soll eine Gleichstellung in den Rentenbezügen zwischen den Geschlechtern realisiert werden. Des weiteren sagt die Frauenpartei der Diskriminierung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt den Kampf an. Von knapp über 2,4 Millionen polnischen Arbeitslosen im zweiten Quartal 2006 waren nahezu 1,4 Millionen Frauen. Zudem fordert die Frauenpartei eine Liberalisierung des repressiven polnischen Abtreibungsrechts und eine verbesserten Zugang zu Verhütungsmitteln. Etliche prominente Frauen, wie die populäre Sängerin Kayah, konnte Gretkowska für ihre Gruppierung gewinnen.
Illegalisierung
Doch aktuell dürfte die neue Gruppierung alle Kraft aufwenden müssen, um einen neuerlichen Generallangriff der polnischen Rechten auf das Selbstbestimmmungsrecht der Frauen abzuwehren. Die rechtsradikale Regierungspartei »Liga der polnischen Familien« (LPR) will über eine Ergänzung den »Schutz des ungeborenen Lebens von Anbeginn an« in der polnischen Verfassung festschreiben und so jegliche Abtreibungen illegalisieren. Polens Frauen dürften dann unter keinen Umständen abtreiben, selbst wenn ihre Gesundheit bedroht ist, das Kind mit schwersten Behinderungen geboren würde, oder die Schwangerschaft infolge einer Vergewaltigung eingetreten ist – unter diesen Umständen sind Abtreibungen bisher legal.

In der Praxis werden diese Regelungen allerdings sehr restriktiv ausgelegt. So soll es unbestätigten Meldungen zufolge nur 225 offizielle und legale Abtreibungen im vergangenen Jahr in ganz Polen gegeben haben. Meistens können sich arme Frauen selbst eine legale Abtreibung schlicht nicht leisten, da diese zwischen 1500 und 4000 Zloty (etwa 400 bis 1000 Euro) kostet und nicht von der Krankenkasse getragen wird. Zudem müssen Frauen die Kosten für Verhütungsmittel jeglicher Art selbst tragen. Polnische Feministinnen geben an, daß nur 20 Prozent der Frauen das Landes sich einen legalen Schwangerschaftsabbruch überhaupt leisten können. Selbst die derzeitige Rechtsregierung gibt zu, daß in einem »Abtreibungsuntergrund« zwischen 7000 und 14000 illegale Abtreibungen vorgenommen wurden. Doch laut Wanda Nowicka, der Vorsitzenden der Föderation für Frauenrechte und Familienplannung, sind diese Regierungsangaben gnadenlos geschönt. Nach ihren Informationen werden fast 80000 illegale Abtreibungen jährlich in Polen vorgenommen, die sehr oft eine gesundheitliche Bedrohung für die Frauen darstellen.
Beliebig und praxisfern
Angesichts dieser Realität und des angedrohten generellen Abtreibungsverbots verwundert es kaum, daß die Frauenpartei schon in mehreren Städten erste Gruppen gründen konnte, noch ehe sie behördlich offiziell zugelassen wurde. Dennoch gibt es auch linke Kritik an dem Projekt, das sich einer ungewöhnlich großen medialen Aufmerksamkeit erfreuen kann. So kritisierte Katarzyna Szumlewicz vom Internetportal lewi­-ca.pl eine programmatische Beliebigkeit und Praxisferne dieses Projekts, das von »demonstrativ vermögenden Frauen« getragen wird, die mit der Lebensrealität des Großteils der polnischen Frauen keine Berührung haben. Zudem wolle die Frauenpartei nach eigenem Selbstverständnis für Frauen aller politischen Richtungen offen sein. Ob es der Gründerin Gretkowska nicht klar sei, daß rechtsgerichtete Frauen einen Großteil der Forderungen der Frauenpartei ablehnen, fragt die Kommentatorin.

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