Rentenfonds schützen nicht vor Armut

„Neues Deutschland“ 29.05.2010
In Polen erwartet viele zukünftige Pensionäre ein Leben am Rande des Existenzminimums

Polens Rentner blicken in eine traurige Zukunft: Die Rentenreformen, die den Fokus immer weiter hin zur privaten Vorsorge verschoben, führen nun dazu, dass die Rentenansprüche verschwindend klein geworden sind.

Polens künftige Pensionäre müssen sich auf magere Zeiten einstellen: Im Jahr 2060 dürfte nach Berechnungen des polnischen Gewerkschaftsverbandes OPZZ die durchschnittliche Rentenhöhe auf 25 Prozent des letzten Einkommens absinken, sollte das derzeitige Rentensystem Polens nicht rasch reformiert werden. Um diesen desaströsen Einbruch des Rentenniveaus zu verhindern, das derzeit bei rund 50 Prozent der letzten Einkommenshöhe liege, müsse laut OPZZ den Rentenversicherten insbesondere die Möglichkeit gegeben werden, aus den sogenannten »Offenen Pensionsfonds« (OFE) auszutreten.

Eine 1999 implementierte neoliberale Rentenreform nötigte nämlich alle nach 1969 geborenen Lohnabhängigen Polens, rund ein Drittel ihrer Rentenbeiträge in die von privaten Körperschaften aufgelegten OFE einzuzahlen, die bis zu 40 Prozent ihres Kapitals auf den Aktienmärkten anlegen konnten. Derzeit zahlen Polens Arbeiter und Angestellte 12,2 Prozent ihrer Bruttoeinkommen in die staatliche Sozialversicherungsanstalt ZUS ein, während 7,3 Prozent der Einkünfte in die Rentenfonds fließen. Der Rentenversicherer kann sich dabei den Pensionsfonds selbst aus einer Vielzahl von Angeboten auf dem Finanzmarkt aussuchen, die oftmals von Banken, Versicherungen oder anderen Finanzmarktakteuren angeboten werden. Im Endeffekt lief diese Rentenreform damit auf eine Subventionierung des Finanzsektors hinaus, dem Millionen neue Kunden zugeführt worden.

Der Vorsitzende der OPZZ, Jan Guz, attestierte auf einer Pressekonferenz Ende Mai dieser privaten Säule des polnischen Rentensystems ein miserables Leistungsniveau. So betrugen die ersten, nach zehn Jahren aus den OFE ausgezahlten Renten zwischen 50 und 100 Zloty (ca. 12 bis 25 Euro), wobei die niedrigste sogar nur bei 23 Zloty monatlich liege. »Schon allein aufgrund dieser Erfahrungen muss man den Menschen die Möglichkeit geben, zu entscheiden, wo sie ihr Geld anlegen wollen«, betonte Guz. Auf der Pressekonferenz stellte der OPZZ auch die Ergebnisse einer breit angelegten Umfrage unter circa 10 000 Lohnabhängigen vor. 98 Prozent der Befragten waren dabei der Meinung, das derzeitige Rentensystem ermögliche ihnen im Alter »kein würdiges Leben«. Rund 94 Prozent der Befragten erklärten zudem, dass sie eine bessere Rente aus der staatlichen Versicherungsanstalt ZUS als aus den Offenen Rentenfonds erwarteten.

Rückendeckung erhielt der OPZZ ausgerechnet von Jolanta Fedak, der stellvertretenden Vorsitzenden der Bauernpartei PSL, die im Kabinett des rechtsliberalen Premiers Donald Tusk den Posten der Arbeitsministerin bekleidet: »Während der letzten zehn Jahre haben die OFE für die künftigen Rentner kein Geld verdient, dass ihnen hohe Renten garantieren würde«, erklärte Fedak gegenüber der Nachrichtenagentur PAP. Deshalb müsse den Versicherten die Möglichkeit eingeräumt werden, aus den OFE auszutreten und ihre Rentenbeiträge nur an die ZUS abzuführen. Die Arbeitsministerin kündigte auch eine entsprechende Gesetzesinitiative an, die allerdings umgehend auf Kritik seitens der polnischen Unternehmerverbände traf. Die Arbeitsministerin solle doch lieber den Rentenversicherern die Möglichkeit einräumen, »nur bei den OFE zu bleiben«, erklärte ein Sprecher des Unternehmerverbandes »Lewiatan«.

Seinen Bankrott erfuhr das private Rentensystem der Offenen Pensionsfonds nach Ausbruch der Finanzkrise. Auf 24,2 Milliarden Zloty (ca. sechs Milliarden Euro) summierten sich die Verluste der OFE allein zwischen Januar und Oktober 2008 – resultierend aus fehlgeschlagenen Spekulationen auf den Weltfinanzmärkten. Selbst die konservative polnische Springerzeitung »Dziennik« musste einräumen, dass unter Berücksichtigung der Inflation die Rentner aus den OFE »viel weniger Geld erhalten werden, als wenn sie in der ZUS verblieben« wären.

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